Archive for the Category Kindheit

 
 

Der falsche und der echte Nikolaus

Als Kind ist man in besonderem Maße dazu bereit,an Geheimnisvolles und Wunderbares zu glauben. Vor allem die Advents – und Weihnachtszeit weckt da viele Erwartungen, die ja auch durch die Erzählungen der Erwachsenen noch genährt werden.
Das war für mich als Kind in der Nachkriegszeit nicht anders. Am Nikolaustag hielt ich deshalb schon morgens Ausschau nach dem heiligen Mann, der ja an seinem roten Kapuzenmantel und dem großen Sack zu erkennen sein sollte.Angeblich sei der Sack nicht nur für Geschenke, sondern auch für unartige Kinder gedacht, die auch mit der Rute von ihm bestraft würden.Mir war der Nikolaus noch nie begegnet, aber bei unserem Bäcker hatte ich in der Auslage so eine Rute gesehen.Sie war mit leckerem Zuckerwerk behangen.Also konnte das ja nicht allzu schlimm sein. Dennoch war mir bei dem Gedanken an eine mögliche Strafe nicht ganz geheuer. Wir Kinder kannten ja damals nicht das Bild des wonnigen Weihnachtsmannes aus der Fernsehwerbung, wie es heute verbreitet wird. Das einzige Nikolausbild, das ich kannte, war das aus dem alten Struwwelpeterbuch.Darin straft ein riesengroßer Nikolaus die bösen Buben,indem er sie am Schopf fasst und tief in schwarze Tinte taucht, weil sie den Mohren ausgelacht haben.
Nun ja, ich hatte zwar keinen dunkelhäutigen Menschen verspottet( die amerikanischen Soldaten, die wir sahen, nötigten uns ja schon durch ihre Uniform und ihre Bewaffnung Respekt ab),aber immer brav war ich auch nicht gewesen.Meine Mutter, die zum Glück vor dem Krieg im Frisiersalon ihres Vaters das Handwerk sehr gut gelernt hatte und auch ohne Salon nach dem Krieg noch gefragt war, wodurch sie uns ernähren konnte,nahm mich bei ihren Hausbesuchen zu ihren Kundinnen mit. Da musste ich dann immer ganz sittsam sein und warten, bis sie mit ihrer Arbeit fertig war. Manche Kundinnen wollten im Winter nicht, dass ihre langen Haare gewaschen wurden, und Mutter musste ihnen dann mit ihrer Brennschere Locken in die fettigen Haare ondulieren, was nicht gerade angenehm roch. Ich durfte mir das aber nicht anmerken lassen, und das fiel mir nicht immer leicht.
An einem Nikolausabend kamen Mutti und ich wieder von so einem Kundenbesuch nach Hause zurück.Ich war sehr aufgeregt, denn es war schon mehrmals an diesem Tag vom Nikolaus die Rede gewesen.Als wir im ersten Stock des halb zerstörten Mietshauses, in dem wir seit Kriegsende wohnten, angekommen waren, sahen wir vor uns den Nikolaus, wie er die Stufen zu Dörrs, unseren Nachbarn, hoch stieg. Ich blieb erschrocken stehen; auch meine Mutter ging nicht weiter. Denn aus dem Sack, den der Nikolaus trug, baumelten unten zwei Kinderbeine heraus.Welches arme Kind wurde da bestraft? Würde ich jetzt auch in den Sack gesteckt? Ich fürchtete mich und versteckte mich hinter meiner Mutter, bis der vermeintliche Nikolaus in der Wohnung der Nachbarn verschwunden war.
Meine Mutter strich mir liebevoll über das Haar und erklärte mir, das sei gar nicht der echte Nikolaus.Da habe sich jemand nur einen dummen Scherz ausgedacht und ausgestopfte, beschuhte Strümpfe an den Sack genäht, um andere damit zu erschrecken.
Obwohl ich meiner Mutter vertraute, war ich mir doch nicht so ganz sicher, ob das so war.
Als es dann eine halbe Stunde später an unsrer Wohnungstür klingelte, versteckte ich mich hinter der geöffneten Zimmertür, weil ich fürchtete, jetzt würde auch ich in diesen Sack gepackt.
Wie erleichtert war ich, als eine dunkle, sanft klingende Stimme sagte, er sei der Nikolaus und habe gehört, dass hier ganz liebe Kinder wohnen.Er trat zu meinem Brüderchen ans Gitterbettchen und segnete das Kind. Nun wagte auch ich mich aus meinem Versteck und sah einen wunderschönen Nikolaus vor mir.Er war in ein mit goldenen Borten verziertes, weißes,langes Gewand gekleidet, trug eine Bischofsmitra und hielt einen Bischofsstab in der Hand.
Ich weiß nicht mehr, was mich mehr beindruckte, der weiße Rauschebart, die wohlklingende Stimme oder der freundliche,gütige Blick.Seine ganze Erscheinung hatte für mich etwas Wunderbares,und ich wusste, das war der echte Nikolaus, nur so konnte der heilige Mann sein, gütig, nicht strafend, und froh nahm ich den Apfel, den er mir reichte.
Jahre später erfuhr ich, wer uns Kinder da beglückt hatte. Es war der älteste Sohn unseres Bäckers aus der Nachbarschaft gewesen, der sich, da er Priester wurde, die passende Kleidung ausgeborgt hatte, um uns Kindern eine Freude in der schweren Nachkriegszeit zu machen.

© Ingrid Herta Drewing

Spielendes Kind in der Sandgrube

Die Sonnenstrahlen flüstern in den Bäumen
und malen Blättermuster in den Sand,
in dem das Kind spielt, still vertieft in Träume.
Kein dunkler Schatten trübt sein Kinderland.

Da gibt es Ritter, Prinzen, Feen und Tiere;
sogar den kleinen Drachen mag man gern.
Als Tollpatsch darf er harmlos hier agieren,
beschirmt von einem guten Zauberstern.

Die kleine Burg im Sand lebt bunt und heiter.
Die Ritter kämpfen, haben nie Blessuren,
und fällt ein Wachhund an die kühnen Reiter,
verwischt das Kind schnell mit dem Sieb die Spuren.

Gilt es gar, die Prinzessin dort zu retten,
sie zu befreien von dem bösen Fluch,
hilft die Magie, hier eine Handvoll Kletten,
gut aufbewahrt in einem weißen Tuch.

Eintauchen, einmal noch, in jene Welt,
die jenseits des Realen hält bereit
die Märchenwunder, Leben ohne Geld,
weit weg von allen Krisen unsrer Zeit!

© Ingrid Herta Drewing

Spielendes Kind

Vertieft ins Spiel und schöne Kinderträume,
lebt es auf seinem kleinen, hellen Stern.
Das Kind, es kennt noch kein Versäumen,
denn vieles, was uns drängt, liegt ihm so fern.

Es sei denn, dass wir es ins Leben hetzen,
mit allen Hürden, die wir aufgebaut;
ihm seine Freiheit durch die Pflicht verkürzen,
weil unsre Zukunftsangst sich aufgestaut.

Lasst ab von allem modischen Gehabe,
das uns Erwachsne seelisch schon entleibt!
Lasst ihm die Phantasie, der Freiheit Gabe,
damit es stark wird, liebend bei sich bleibt!

Entfalten mag es sich wie eine Blüte,
vom warmen Licht begeistert, Blatt für Blatt;
dann findet, in sich ruhend, es die Güte,
die Gott ihm als Natur verliehen hat.

Ingrid Herta Drewing

Kind sein

Imibau

Kind sein heute, ist doch schwer.

Oft lässt man ihm kaum den Raum,

wo es spielend, ohne Wehr,

kann erleben seinen Traum.

Wo es geht, Automobile

grenzen ein die kleine Welt,

Luft voll Feinstaub, Abgasschwüle;

sehr oft Husten es befällt.

In den Medien, aufgesetzt

zeigt man ihm ein Kinderbild,

das Erwachsne eingeschätzt,

irreal, falsch, trendy-wild.

Viele Eltern, Angst besessen,

was die Zukunft bringen mag,

sind dabei, fast zu vergessen,

was ein Kind braucht, wirklich mag.

Schon im Kleinkindalter hetzen

sie es, fest verplant die Stunden,

woll’n es an den Rechner setzen,

lassen es nicht ungebunden.

Spielend seine Welt entdecken,

Tiere, Wiesen, Wald und Feld,

sich im hohen Gras verstecken,

laufen, tollen, wie ’s gefällt.

Gebt dem Kind die Kindheit wieder,

mag es seine Wunder sehn.

Liebt es, singt mit ihm die Lieder,

zeigt ihm die Natur, die schön!

Ingrid Herta Drewing

Kindheit

Oh ,Kind sein , Leben im Bewegen

und Staunen , was die Welt verspricht.

Ein jeder Tag , ein Farbensegen ,

es sieht mit wachem Augenlicht.


Ja , Kind sein , wenn es wohl geborgen,

den Tag , die Stunde frei verträumt;

noch fern sind der Erwachs’nen Sorgen ,

noch keine Pflichten , die versäumt .


Vertraut mit Pflanzen und mit Tieren ,

ein Garten , hell ,die kleine Welt ,

erobert erst auf allen Vieren ,

dann aufrecht ,schauend, was gefällt.


Mit viel Geschick etwas erbauen

aus Steinen oder auf Papier ,

der eignen Kraft im Spiel vertrauen ,

mutig erkundend das Revier.


Im Reich der Phantasie obsiegen,

im Märchen und auf hoher See ;

Piraten , die auf Meeren fliegen ,

Prinzessinnen , so weiß wie Schnee.


So schön , so zart , so müsst sie währen ,

doch bleibt sie uns nur kurz , die Zeit ,

in der wir reinen Sinnes ehren ,

was uns die Schöpfung hält bereit.


Ingrid Drewing