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Vierter Advent

Ich steh im Stau,
vierter Advent,
nur Grau in Grau,
kein Kerzchen brennt,
doch stets beim Bremsen Lichter;
der Nebel wird noch dichter.

Die Straße glatt,
noch ungeräumt,
bemerk’ ich matt,
man hat versäumt,
hier tüchtig Salz zu streuen.
„Wie werden wir uns freuen!“

Ertönt es hell,
im Radio
ein Chor zur Stell’;
die Kinder froh
bekannte Lieder singen.
Ich könnt’ vor Freude springen!

Wenn man mich lässt,
hab’ das Gefühl,
ich häng’ hier fest,
auch wird mir kühl;
würd’ gerne Tee jetzt trinken.
He, was soll denn das Blinken?

Der vor mir, steht,
hab’ doch Geduld!
Dass nichts mehr geht,
nicht meine Schuld;
kannst dir dein Hupen schenken
und mal pausier’n beim Lenken!

Ich steh’ im Stau,
es ist Advent,
und weiß genau,
zu Hause brennt
das vierte Licht der Kerzen,
und mich erwarten Herzen.

© Ingrid Herta Drewing

Felix Krull

Warum nur fällt mir nun ein Felix Krull,
von dem der Dichter Mann anschaulich schrieb?
Manieren hatte er, der junge Mann,
auch war er angesehen und beliebt.

Ja, er verstand es, Märchen zu erfinden,
und viele glaubten, das sei alles wahr,
obwohl er doch bestrebt war, zu begründen,
den Weg nach oben auf der Leiter klar.

Man schätzte ihn und seine Umgangsformen,
verzieh ihm, sah ihm manches gnädig nach.
Er schuf sich, spielte lässig mit den Normen,
sah im Betrug nur kleine Fehler schwach.

Wie würde man ihn heutzutag’ erleben,
frag’ ich mich, sollte es ihn wirklich geben?

Ingrid Herta Drewing

Kryptisch

Willst du dichten?
Sei höchst kryptisch,
sehr geheimnisvoll!
Lass nur nicht zu schnell erahnen,
was das Bild in seinem Rahmen
wohl bedeuten soll!

Rätselhaft, heißt die Devise,
Bilder gilt es zu verschränken,
denn man soll an Tiefe denken,
auch wenn sie nicht ist.

Stell dir vor ’ne große Wiese,
Blumen sollen dort nicht sprießen,
alles grau in grau.
Und die Nebelfrau
streift vorbei,
trägt auf dem Arm
einen großen Bienenschwarm,
summend allerlei.
Doch im Haar, sie hat ja Charme,
glänzt ein Blümlein, blau.

Was, das scheint dir nicht geraten?
Dir missfallen solche Taten,
weil du es liebst klar?
Ja, mein Lieber, dann, ich schwör,
wird dein Dichten zum Malheur.

Ingrid Herta Drewing