Archive for the Category Nachdenkliches

 
 

11.September 2001

Elf Jahre ist es nun schon her,
ein Tag der Trauer, folgenschwer;
hier brach die heile Welt entzwei,
und wir als Zeugen warn dabei.

Ins strahlende Septemberblau
Twintowers, Wolkenkratzerbau
ragen mit rußigen Fahnen,
zwei Fackeln zum Himmel mahnen.

Entsetzen starrt aus allen Mienen,
gebannt schaun wir zum Bildschirm hin,
betroffen folgend Zeilenschienen,
entschlüsseln wir der Worte Sinn.

Des Terroranschlags Todesspur,
zwei Jets als Bomben eingesetzt
von Islamisten, die hier stur
im Hass gemordet, aufgehetzt.

3000 Tote sind zu zählen,
und Tausende Verletzte quälen
sich heut’ noch, krank an Leib und Seel’;
so mancher, dem das Liebste fehlt.

Gedenkt der Menschen, ihrer Namen,
die sinnlos hier zu Tode kamen,
auch derer, die hernach im Krieg
gefallen für erhofften Sieg!

Wo Hass und Dummheit sich verweben,
zerstören sie das Licht, das Leben.
Der Mensch, wenn er verweilt im Wahn,
bewegt sich auf des Todes Bahn.

Ingrid Herta Drewing

Austauschbar

Ach, austauschbar, wie aus der Welt der Dinge
ist wohl so manchem heut’ der Mensch geworden;
verbunden nur noch mit des Fetischs Schlinge,
Erinnerungen, die die Liebe morden.

Verplant, verdingt, wird keine Zukunft lächeln,
denn todesstarr ist schon die Gegenwart
verurteilt, in den matten Tag zu röcheln.
Es grüßt die dumpfe List, spitzt auf den Start,

wenn man sich nüchtern neuer Eh’ verschrieben
und glaubt, das Leben in sich wach zu halten,
indem man fern von Freude, wahrem Lieben
noch tröge aufbewahrt des Wahns Gestalten.

© Ingrid Herta Drewing

(Kommentargedicht zu René Oberholzers Gedicht „ Leihgabe“)

Naturnähe

Wie gut, dass wir hier hautnah noch erleben,
empfinden können alle Jahreszeiten,
dass uns Natur im Umfeld ist gegeben
und nicht nur virtuell im Bildschirmgleiten!

Dass es noch Häuser gibt, wo man die Fenster
weit öffnen kann, die frische Luft dort spürend,
und sich so nicht geschäftigen Gespenstern
ganz überlässt, das Leben uns filtrierend!

Noch ist der Mensch ein Wesen, das Natur
in Nähe braucht und nicht nur die Maschinen,
die ihm als Dinge täglich nützlich dienen
und doch auch führen in des Fremdseins Spur.

Wir mögen die Natur mit ihrem Flunkern,
verabscheuen ein Leben, grau, in Bunkern.

© Ingrid Herta Drewing

Künstlerschicksal

Man rühmt sie heut’, die Toten,
die sich der Kunst ergeben;
einst war verkannt ihr Streben.
Obszön nun Angebote,
posthum vermarktet’ Leben.

Für ’nen Van Gogh Millionen,
das Scheckheft wird gezückt,
ein Ego sich beglückt.
So arm musst Vincent sterben;
Es hieß, er sei verrückt.

Sehr viele, die gelitten
und doch trotz ihrer Qualen
die Welt in Farben malend,
sind Künstler unbestritten,
berühmt in den Annalen.

Nur das, was überdauert,
sein Können trefflich zeigt,
die Schatten nicht verschweigt,
hat, wo Vergessen lauert,
sich hin zur Kunst geneigt.

© Ingrid Herta Drewing

Scheidung

Für beide gab es nichts mehr zu erklären,
gekommen war die Zeit, sie trennten sich.
Versuche gab es, sich noch zu bewähren,
doch jeder kreiste nur ums eigne Ich.

Verliebt ist mancher schnell, doch Lieb’ will reifen,
den Partner so zu achten, wie er ist,
und nicht erziehend sich an ihm vergreifen,
damit er eigner Projektion entspricht.

Die Ehe war zum Glück noch kinderlos,
so galt es nur allein für sie, zu tragen
den Makel, das Bewusstsein, zu versagen,
Verlust von etwas, das einmal schien groß.

Sie werden beide neue Wege finden,
und manchmal wird, vernarbt, die Wunde schmerzen
Allmählich werden sie auch das verwinden,
was das Erinnern spült in ihre Herzen.

© Ingrid Herta Drewing

Gleichgewicht

Dicht überm Wasser fliegt Libelle,
die sich zu ihrer Schöngestalt
entpuppt hat; und die Lachsforelle
schwimmt mit dem Flüsschen aus dem Wald.

Sie will das große Meer erreichen,
das ihre Mutter einst verließ,
um in der Flussheimat zu laichen,
ein Ziel, das ihr Instinkt verhieß.

Das Leben findet viele Formen,
ob hier im Wasser, ob an Land,
und sprengt des Menschen enge Normen
der nur nach Beute streckt die Hand.

Sehr oft vergisst er, zu bedenken,
dass jedes Glied in der Natur
ein andres stützt; ein großes Lenken
weit ab von seiner schmalen Spur.

Das Gleichgewicht im Biotop
gilt es zu sehen, zu bewahren.
Wer sich versteht als Philanthrop,
der folg’ auch dem Prinzip, dem wahren.

© Ingrid Herta Drewing

Sonnenblumen

Es recken hier die Sonnenblumen
zur Sonne hin ihr Sterngesicht,
das goldgelb zu der großen Muhme
nun strahlend auch von Leben spricht.

Fein aufgestellt, wie zur Parade,
sind Tausende hier auf dem Feld,
als warteten sie auf die Gnade,
die auch ihr Dasein hier erhellt.

So mancher Mensch auf dieser Erde
verhält sich wie der Heliotrop
und träumt mit hoffender Gebärde
von eines Leitsterns lichtem Lob.

© Ingrid Herta Drewing

Spielzeit

Die Einen spielen, und die Andern weinen;
wie achtlos sich Gleichgültigkeit gefällt!
Die Empathie, so scheint es, nur im Kleinen
noch wirkt, wo man sich in den Armen hält.

Die große Zahl der vielen Schreckensbilder
vermischt sich mit Fiktion, lähmt das Gefühl.
Ist aus der Film, stimmt Katharsis uns milder,
verdrängt, vergessen ist des Horrors Ziel.

Abstumpfung schützt, wenn jene schlimmen Leiden
der Welt sich bahnen einen Korridor
in deinen Blick, und du kannst kaum vermeiden,
dass weltweit Macht und Ohnmacht rücken vor.

Da lässt du gerne dich durch ’s Spiel ablenken;
wer wird an „panem et circenses“ denken?

© Ingrid Herta Drewing

Das Schöne

Das Schöne, gleicht ’s dem Leben?
In Macht und Kraft wohl auch,
ist mehr als Nutz’ und Brauch;
doch in den Tod gegeben,
nur flüchtig, zarter Hauch?

Das Schöne überdauert.
Es bleibt in Wort und Bild,
Musik, im Lächeln mild;
ein Klang, der uns erschauert,
dem unser Sehnen gilt.

© Ingrid Herta Drewing

Pfingstgedanken

Nicht Mauer sein, nicht Wall, der alles trennt,
die Tür sein, die in Freiheit, Weite führt,
die Brücke, die verbindet, was getrennt,
ein Mensch sein, den die Nächstenliebe rührt.

Nicht Feuer sein, im Wahn die Welt zerstörend;
doch Frühlingsregen, der die Erde netzt,
sie hegend, auf des Lebens Stimme hörend,
der Sonne gleich, die sie ins Blühen setzt.

Mit wachen Augen durch das Leben gehen
und Fehler nicht nur bei den Andern sehen,
von Eitelkeit geblendet und gehemmt.

Sich nicht im Starrsinn dumpf ums Ego drehen,
versuchen, andre Menschen zu verstehen,
erscheinen sie zunächst auch noch so fremd.

Ingrid Herta Drewing