Archive for the Category Erzählgedichte

 
 

Albtraum

Als mir die Silben aus den Worten fielen,
stand ich, fast starr, still, stumm und staunend da,
verstrickt im Wirrwarr allerlei Gefühle,
empfindend, dieses Unheil kam mir nah.

Es halfen keine honigsüßen Phrasen.
Die Wahrheit unverborgen, nackt und bloß,
nun zeigte sich in allen ihren Phasen.
Das Böse kroch da aus des Drachen Schoß.

Nach Drachentöter Georg riefen sie.
Doch der, gefeiert, war nicht bei dem Tross.
Und als das Untier Schwefel, Feuer spie,
war er schon fern, ritt arglos hoch zu Ross.

Die Erde bebte, und ein Ascheregen
fiel aus der Wolke, die die Sonne fraß.
Im Grau erstickten Menschen, Stadt und Wege.
Der Feuertod die Beute nicht vergaß.

Ich konnt‘ zu Schiff dem Wüten dort entgehen
und wachte auf aus diesem dunklen Traum,
in dem ich mich so hilflos hab‘ gesehen,
verloren fast an des Vulkanes Saum.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Liebeskummer

Es ist ganz traurig Valentin,
denn seine Valentine
beachtet ihn nicht, weil sie ihn
jüngst flirten sah mit Ann-Katrin,
der üppigen Blondine.

Er pflückt ihr einen Rosenstrauß,
will sie damit versöhnen.
Doch sie sieht ihn und nimmt Reißaus,
verschließt die Tür zu ihrem Haus,
will ihn wohl gar verhöhnen.

Nun schreibt im Brief er ein Gedicht,
gesteht, dass er sie liebe,
sie sei sein Stern, sein Sonnenlicht
und nur sie zähle, andre nicht,
für sie sein Herz nur bliebe.

Sie traut den süßen Worten nicht,
und fragt nach seiner Treue.
Er habe, so sei der Bericht,
mehrfach missachtet diese Pflicht,
ob es ihn wirklich reue?

Bedenk‘ dein Wort, oh Valentin,
dies‘ eifersüchtig‘ Wesen
hat’s dir noch lange nicht verziehn!
Da musst du dich noch mehr bemühn,
bevor ihr Leid genesen!

© Ingrid Herta Drewing,2014

Der Fährmann und die Armen Seelen

Der träge Fluss im Nebelhauch,
diffuses Licht, Novembermorgen,
doch überm Fährhausdach der Rauch
zeigt an, ein Mensch lebt hier geborgen.

Tagaus,tagein scheut er nicht Mühe
und bringt die Wandrer übern Fluss;
ob abends spät, ob in der Frühe
ist ’s für ihn ein gewohntes Muss.

Doch heut‘ beschleicht ihn banges Ahnen,
er träumte nachts, es hieße Tod
ihn Charon, und mit ernstem Mahnen
brächt‘ er die Toten in sein Boot.

Ihn graust ’s, als er zur Fähre schreitet.
Man rief nach ihm, doch keiner da!
Ein kaltes Schaudern ihn begleitet,
als er bemerkt den Schatten nah‘.

Der Fährmann zögert, fühlt Gefahr,
ruft rüber, jetzt fehl‘ ihm die Sicht,
ein wenig später, wenn es klar,
werd‘ er erfüllen seine Pflicht.

„ Hol über, Fährmann,will’s dir lohnen
mit Gold; so scheu das Rudern nicht;
musst heut‘ dein Boot nicht ängstlich schonen,
der Nebel ist nicht gar zu dicht!“

Da überwindet sich der Mann,
setzt übern Fluss, und es steigt ein
ein Herr, sehr vornehm, sagt sodann:
„ Nimm diesen Batzen, er sei dein!“

Er nimmt den Lohn und lenkt das Boot,
erleichtert;doch in Flusses Mitten
senkt sich der Kahn, gerät in Not,
als sei viel Volk hinein geglitten.

Und er hört nun,erschrocken staunend,
„ Erlöse uns von unsrer Schuld!“
Ein Wimmern, Arme Seelen raunend:
„ Rett‘ uns ans Ufer, üb‘ Geduld!“

Dem Fährmann sträubt sich fast das Haar,
doch zieht er fest die Riemen an;
der Fremde, scheint’s ihm,lächelt gar!
Nun rudert er, so schnell er kann.

Dann endlich ist der Steg in Sicht,
und sicher legt dort an der Kahn,
der plötzlich strahlt in hellem Licht,
als breche Sonne sich die Bahn.

Und vieler Stimmen Dankesworte
vernimmt der Fährmann, schaut sich um:
Es ist kein Passagier vor Orte;
er denkt an Wahnsinn, fühlt sich dumm.

Doch das, was ihm der Herr gezollt,
das will ihn dennoch überraschen:
Er findet jenen Batzen Gold
ganz tief in seinen Hosentaschen.

Nur dann zu Haus sein Spiegelbild
blickt fremd ihn an: ein alter Mann.
Das schwere Werk, das er erfüllt‘,
hat ihn gezeichnet also dann.

© Ingrid Herta Drewing, 2013

Die wachsamen Delphine

Tief in der Südsee schwamm ein Hai
ganz dicht an einem Riff vorbei,
wo die Delphine und die Fische
sich tummelten in Meeres Frische.

Doch statt sich friedlich anzuschließen,
wollte er ihnen gern vermiesen
das Leben in dem Paradies,
und er benahm sich da recht fies.
Sprach heuchlerisch mit sanftem Blick
„ Seid mir gegrüßt, ihr habt heut’ Glück,
ich kenne einen guten Platz,
wo ihr könnt finden einen Schatz.
Da gibt ’s für alle ganz viel Futter.
Kommt, Kinder, lasst jetzt mal die Mutter,
folgt mir, ich werd’ euch gerne weisen,
wo ihr könnt Leckerbissen speisen!“

Die Fischchen waren ahnungslos
und fanden die Idee famos.
Sie fragten ihre Eltern nicht,
wie ’s doch gewesen wäre Pflicht.
Der Hai mordlüstern, abgeschmackt,
zog sie mit sich zum alten Wrack.
Dort nahm das Unheil seinen Lauf:
Er fing sie, fraß sie alle auf.

Nach ein paar Tagen kam er wieder,
vernahm der Eltern Klagelieder
und stimmte scheinheilig noch ein
ins Trauern um die Fischelein.

Bald reizt’ ihn Übermut und Wahn,
auszuprobieren seinen Plan
mal bei dem Nachwuchs der Delphin’,
ein Festmahl, das ihm lecker schien.
Und drei Delphinchen schwammen mit.
Der Hai dacht’ sich: „ Ein guter Schnitt!“

Jedoch die Jungen Lux und Lot
verachteten das Angebot.
Sie spürten, dass dem weißen Hai
nun wirklich nicht zu trauen sei,
und sie erzählten ihrem Vater
von „Onkel Hais“ Ködertheater;
der alarmierte die Gemeinde,
dass man bekämpfen müsse Feinde.

Grad wollt’ der Hai Delphinchen schnappen,
da konnten sie ihn schnell ertappen
und straften ihn sodann gar schwer.
Verwundet schwamm er weit ins Meer,
ließ sich bei ihnen nie mehr sehen.

So soll’s dem Bösewicht ergehen,
dass Kinder schlau wie Lux und Lot
seiner Verlockung widerstehen,
durch sie geraten nicht in Not!

© Ingrid Herta Drewing

Valentin und Valentine

Als Valentin und Valentine
sich einstmals trafen auf der Flucht
( In einem Hain für Apfelsinen
hatten sie Früchte ausgesucht
und nicht bezahlt, so unbetucht),
da standen sie einander bei.

Verfolger machten groß’ Geschrei,
doch bald schon gingen sie zurück,
die Suche war ein Missgeschick
sie fanden, dämlich, beide nicht.
Die standen nämlich dicht an dicht
im Keller an die Wand gepresst.

Und wie sich leicht vermuten lässt,
war es in diesem Keller kalt.
Das Haus stand leer, es war schon alt.
Der Valentin, ganz Kavalier
sagt’ Valentine, sie nicht frier’,
wenn sie sich flücht’ in seine Arm’.

Sie tat ’s, den beiden wurde warm
und da sie nun so nahe standen,
die Lippen sich zum Kusse fanden.
Schwupps war ein Apfelsinendieb
nun glühend ins Pendant verliebt.

Die beiden lebten bald als Paar,
wen wundert’s, in Valencia,
verkauften Saft aus Apfelsinen
als Liebestrank der Valentine.

© Ingrid Herta Drewing

Die Sicherheit

Fritz Schnurz war einer von den Leuten,
die sehr auf Sicherheit bedacht,
sich nicht auf Reisen ’mal erfreuten.
Er hat sich nichts daraus gemacht.

Sehr gern blieb er zu Haus’ im Garten.
Da sei er sicher, sagte er.
Mit Flugzeugen zum Himmel starten,
mit Schiffen kreuzen auf dem Meer,
mit Auto, Bus und Bahn zu fahren,
kam nicht in Frage, dies‘ Malheur,
das lehnt’ er kategorisch ab.
Man höre ja so viel seit Jahren
von Unfall, Tod dort, nicht zu knapp.
Wer gebe ihm da Schutz, Gewähr?

Jedoch das Leben, das uns wichtig,
zeigt uns, man macht nie alles richtig.
Und eines Samstags um Halbzehn
sah man Fritz Schnurz im Garten steh’n.
Er schnitt dort liebevoll die Rosen,
ließ sich von ihrem Duft liebkosen;
da traf ihn plötzlich, sapperlot,
ein schweres Teil aus Weltraumschrott!
Es fiel ihm hart auf seinen Kopf,
zusammenbrach der arme Tropf.
Herr Schnurz, der nun in großer Not,
fiel in die Rosen und war tot.

„Ein schöner Tod“, meint’ Nachbar Schmitt.
Er mag ’s so seh’n, darf ja noch leben.
Ansonsten teilt uns dies wohl mit:
Die Sicherheit, die wird ’s nie geben.

© Ingrid Herta Drewing

Die Wasserfrau

Ein Angler, am Ufer alleine,
zog aus dem Rhein sich ’ne Kleine.
Sagt:“ Du weißt genau,
du wirst meine Frau,
obwohl du hast Flossen statt Beine“.

Er lehrte sie Anglerlatein
und nahm sie ganz für sich ein;
war er doch ihr Retter,
dazu noch ein netter,
da musst‘ er ein Märchenprinz sein.

Doch schmiert’ er ihr täglich auf ’s Brot,
dass er sie gerettet aus Not.
So ließ er sie schwören,
nur ihm zu gehören,
sonst sei ihr sicher der Tod.

Sie konnte bald nicht mehr ertragen,
sein ständiges Nörgeln und Klagen.
Als ein Seemann ihr pfiff,
schwamm sie zu seinem Schiff,
fuhr mit ihm davon voll Behagen.

Der Angler nun wieder allein,
ertränkte den Kummer in Wein
Er soff und ward krank.
Ja, das ist der Dank,
wenn Frauen man fischt aus dem Rhein.

Ingrid Herta Drewing

Familienausflug

Hundi

Als ich Kind war, gab es Ostern stets den Brauch
mit der Großfamilie zu spazieren,
festlich, fein gekleidet zu flanieren,
Sonntagskleidung hieß das für uns Kinder auch.

Fröhlich ging’s gemeinsam oft ins Grüne,
unser Dackel Axel liebte die Natur,
rannte hin und her, und wie ein Hüne
zog, im Maule Äste tragend, er die Spur.

Wenn er kam, so hieß es hurtig springen.
Lächelnd meinte Vater: “Ja, das hält uns fit!“
Doch mit Pumps wollt‘ dies nicht gut gelingen,
auch der Damen Nylons spielten da nicht mit.

Für uns Kinder war das Schauspiel herrlich,
wenn die Tanten sprangen hoch mit schrillem Schrei,
schimpften, was für Axel unerklärlich,
stand mit treuen Dackelaugen nur dabei.

Dann verließen wir das Waldgelände,
und im Gartenrestaurant „Zum Grauen Stein“
fand der Ausflug ein versöhnlich Ende,
Vater lud zum Schmause alle herzlich ein.

Ingrid Herta Drewing