Archive for März 2011

 
 

Verunsichert (Erinnerung an den Gau von 1986)

Der Himmel leuchtet blau,
spielt harmlos „heile Welt“,
als gäb’ es keinen Gau,
kein Leben, das nun fällt.

Die Seele fühlt nicht so,
denn düstere Gedanken
verhindern, dass sie froh
nun Sonnenlicht mag tanken.

Zu trügerisch erscheint
des Frühlings Farbkulisse,
obwohl er heut’ verteilt
den Duft, der Blüten Küsse.

Ach könnte, unbekümmert,
man wieder Schönes schauen!
Jedoch noch liegt zertrümmert
der heil’ge Schein, Vertrauen.

Ingrid Herta Drewing

Verwaiste Mutter

Fest hielt ich dich an meiner Hand,
jedoch die Welle riss dich fort.
Nun irre ich durch dieses Land,
durchsuche nach dir Ort für Ort.

Dort ,wo wir wohnten, Heimat, Haus,
seh’ ich nur Schutt, ein Trümmermeer.
Ich steh verkrampft, vor Kummer leer,
und kenne mich hier kaum noch aus.

Wo kann ich dich nur wiederfinden?
Mir ist, als sei mein Herz zerrissen.
Wie könnte ich es je verwinden,
wenn ich dich immer müsste missen?

Habe dein Püppchen heut’ gefunden;
Ach, wiegtest du es noch im Arm!
Mein Kind, mein Liebstes, käm’ doch Kunde,
dass du geborgen bist ganz warm!

Ingrid Herta Drewing

Trauriger Frühling

Es trägt der Frühling eine graue Kutte
und die Forsythien in der kleinen Hand.
Am Rosenstrauch vereinzelt Hagebutten,
Relikte aus der Herbstzeit, Schrumpeltand.

Die Wiesen liegen grün, und Krokuss’ blicken
noch schüchtern in das feuchte Tagesgrau.
Sie würden gerne in die Sonne rücken,
doch Wolkenmauern sperren ein das Blau.

Die Leichtigkeit, der Lüfte weiche Milde,
sie fehlen, Trauer scheint uns schier zu lähmen,
das Grauen eines Gaus, den keine Schilde
verwehren, den kein Mensch vermag zu zähmen.

Und dennoch glimmt ein stilles, banges Hoffen,
denn Ungewissheit lässt den Ausgang offen.

Ingrid Herta Drewing

Schneefall

Es fällt der Schnee, er fällt
und deckt, als kühles Leichentuch,
dies’ arg zerstörte Land nun zu.
Getötet, wütend, hat im Nu
des grässlichen Tsunamis Fluch,
und noch bebt Japans Welt.

Erneut schnürt Tod den Schuh.
Fukushiama stellt
ins Licht der Kernkraftwerke Ruch.
Es hat die Menschen heimgesucht
des Todes strahlender Bijou.
Jod, Cäsium, Strontium hält
in Atem, unsichtbar, die Welt.

Und Schnee, unschuldig weiß,
er fällt und fällt.

Ingrid Herta Drewing

Resurrexit

Ein Engel, golden, schwebt am Kapitell
und hält ein Marmorspruchband in die Höhe,
drauf steht geschrieben „resurrexit“ ,hell;
der Herr ist auferstanden, ich verstehe.

Der Botschaft gilt nicht nur des Engels Freude,
mich, dies betrachtend, rührt der Glaube an,
obwohl ich doch in dem modernen Heute
die Engel kaum noch sehen, finden kann.

Und dennoch glaub’ ich an dies’ Auferstehen.
Ein „stirb und werde“ lehrte mich die Zeit,
so darf ich auch, von Gott geleitet, gehen
in Christi Liebe eine Ewigkeit.

Und kann an Ostern mit den Engeln singen;
dies’ „ resurrexit“ wird mir Hoffnung bringen

Ingrid Herta Drewing

Morator-Wolf

Der Wolf frisst Kreide,
um das Stimmvieh einzulullen,
verspricht ein Innehalten, Neubeginnen.
Wer denkt in Freude,
das sei fern der schlimmen Schrullen
endlich verantwortliches, klares Sinnen,
wird bald erfahren, das war seine List.
Hört man auf ihn, dann landet man im Mist.

Ingrid Herta Drewing

Erdbeben und Tsunami

Verlierst den Boden unter deinen Füßen,
die Erde bebt und reißt, es bersten Mauern.
Dich überfällt die Angst, ein tiefes Schauern,
so todesstarr kann keine Träne fließen,
und die Gefahren wachsend auf dich lauern.

Die Flammen lodern, schwarzer Qualm, die Brände,
sie breiten sich in Windeseile aus.
Du fliehst verzweifelt aus dem trauten Haus,
und krachend stürzen schon herab die Wände.
Es wütet heiß und wild der Feuersgraus.

Willst hin zum Strand dich retten, siehst im Laufen,
dass hoch sich türmt die Welle dort am Meer.
Sie wächst, wird Wucht und Tod, eilt rasend her,
und was sie greift, muss jämmerlich ersaufen,
denn der Tsunami fegt die Küste leer.

Du hattest Glück, erreichtest noch den Berg,
der hilft so manchem nun zu überleben.
Man teilt in Not, das was noch ist gegeben,
und fühlt sich dennoch hilflos wie ein Zwerg,
als Mensch, der oft so kühn in seinem Streben.

Ingrid Herta Drewing

Wahn

Noch immer dieser Wahn
von Sicherheit und Macht;
wo wir doch deutlich sah’n,
wie klein das ist bedacht.

Der Mensch darf nicht verspielen
im Hochmut dieses Leben,
auf Kernkraft kühl zu zielen,
leichtfertig im Bestreben.

Die Kräfte, die er rief,
die kann er nicht bezwingen,
ein Gau zu lang verseucht,
was ihm kann Leben bringen.

Im Einklang mit Natur,
hier Energie gewinnen,
alternative Spur
verfolgen,klares Sinnen

Damit die schöne Erde,
auch wenn wir nicht mehr sind,
noch immer Heimat werde
für jedes Menschenkind.

Ingrid Herta Drewing

Machtlos

Verletzlich und zart ist des Menschen Leben,
und dennoch täuscht er sich in seiner Kraft.
Er glaubt, ihm sei hier alle Macht gegeben,
weil er sich groß seine Reiche erschafft.

Gewiss erweist sich recht kühn sein Verstand,
denn vieles, was nützlich, hat er erfunden.
Jedoch zeigt Natur ihm, es ist alles Tand,
wenn sie,wild entfesselt, reißt tiefe Wunden.

Der Erde Beben, der Fluten Gewalt
und des Feuers vernichtende Flammen.
Vulkane berstend, in Aschegestalt
stürzen Häuser und Städte zusammen.

Betroffen erlebend das Leid und den Tod,
erkennt der Mensch, doch recht machtlos, die Not.

Ingrid Herta Drewing

Die Wasserfrau

Ein Angler, am Ufer alleine,
zog aus dem Rhein sich ’ne Kleine.
Sagt:“ Du weißt genau,
du wirst meine Frau,
obwohl du hast Flossen statt Beine“.

Er lehrte sie Anglerlatein
und nahm sie ganz für sich ein;
war er doch ihr Retter,
dazu noch ein netter,
da musst‘ er ein Märchenprinz sein.

Doch schmiert’ er ihr täglich auf ’s Brot,
dass er sie gerettet aus Not.
So ließ er sie schwören,
nur ihm zu gehören,
sonst sei ihr sicher der Tod.

Sie konnte bald nicht mehr ertragen,
sein ständiges Nörgeln und Klagen.
Als ein Seemann ihr pfiff,
schwamm sie zu seinem Schiff,
fuhr mit ihm davon voll Behagen.

Der Angler nun wieder allein,
ertränkte den Kummer in Wein
Er soff und ward krank.
Ja, das ist der Dank,
wenn Frauen man fischt aus dem Rhein.

Ingrid Herta Drewing