Alter Baum

Das Jahr geht gar zu schnell zur Neige;

schon steht November nebelmüde da.

Die letzten Blätter klammern sich an ihre Zweige

und zittern fröstelnd , wenn der Rauhreif nah.


Es fällt so schwer , den Sommer loszulassen ,

die Winde rütteln rau den alten Baum

und rauben ihm an Tagen , regennassen ,

das feuchte Kleid , er wehrt sich kaum .


Sodann die Nebelkräh’n in großen Scharen

bevölkern sein geplündertes Geäst;

er zeigt sich raugereift mit grauen Haaren,

erduldet noch der Vögel lautes Fest.


Es währt nur kurze Zeit , sie ziehen

hin zu den Feldern an den nahen See.

Den alten Baum erfreut ihr flatternd Fliehen ,

er wartet nun geduldig auf den ersten Schnee.


Bald im Dezember bringt ein sanfter Morgen

den weißen Schneepelz ,und zur Nacht

fühlt sich der alte Baum in ihm geborgen ,

gehüllt in weiche  Glitzerpracht .


Nun ruht auch er und mag wohl träumen

vom Leben nach der stillen Zeit,

wenn ihm im lichten Frühlingsschäumen

neu wächst ein zartes , grünes Kleid.


Ingrid Drewing


Die Rechte und die Verantwortlichkeit für dieses Gedicht liegen beim Autor (Ingrid Drewing).


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