Tag der Deutschen Einheit
In jener Nacht, als feste Mauern fielen,
die viele schreckten, manche stumm gemacht,
da durfte dieses Bild von Einheit zielen
auf alles, was gemeinsam war, hier spielen
mit Jubel, Freudentränen, neu erwacht.
Es lagen sich die Menschen in den Armen.
Man konnte wieder Bruder, Schwester sein,
und keiner klagte da in neuem Carmen;
denn Glück und Hoffnung schenkten ihren warmen,
wohligen Mantel, der uns hüllte ein.
Der Deutschen Einheit neu nach so viel Jahren,
sie kam uns vor, als sei‘ s ein schöner Traum,
und mancher war sich deshalb nicht im Klaren,
dass Änderungen folgen; ein Bewahren
von allem lieb Gewohnten gab es kaum.
Wo Planwirtschaft bestimmte einst das Sagen,
da sollte es nun rasch Kapitalismus sein.
Mit DM schwoll so manchem da der Kragen,
Konsum bestimmte, schnell ließ sich was wagen,
manch‘ Existenzen blühten, andre brachen ein.
Schon dreißig Jahre sind ins Land gegangen,
seit Ost und West sich wieder zugesellt.
Die Wirtschaft wuchs, und man darf doch verlangen,
dass trotz Corona wir im Land erlangen
für gleiche Arbeit gleiches Lohn-Entgelt!
Politisch ist man weiter fortgeschritten.
die Kanzlerin, im Westen reüssiert‘,
aus Hamburg und Meck-Pomm, wohl unbestritten,
wird weltweit anerkannt und gut gelitten,
seit vielen Jahren sie nun schon regiert.
Doch droht erneut ein Wahn das Land zu spalten,
es wächst die Kluft, trennt hart hier arm und reich.
Und aus dem Riss da kriechen hoch die alten
von Fremdenhass vergrätzten Spukgestalten,
tun ’s Nationalisten andrer Länder gleich.
Mir scheint, die Macht der Neoliberalen,
die Bankenkrise, hat dazu geführt,
dass (zudem wegen hoher Flüchtlingszahlen)
sich viele EU-Bürger schwarz ausmalen,
man würd‘ auch falsch von Brüssel aus regiert.
© Text: Ingrid Herta Drewing, 2020
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