Liebesgedicht
Wie schön war das Gedicht, das er geschrieben;
es sprach von Liebe, dennoch war ’s ein Traum
für ihn, der einsam in der Welt geblieben,
ein letztes, grünes Blatt am Hoffnungsbaum.
Die Liebste, die er durch den Tod verloren,
er sah sie immer noch so jugendschön.
Aus seiner Liebe ward sie neu geboren
und schien am Tag vertraut mit ihm zu gehn.
Er sprach zu ihr, erzählte von den Sorgen
und folgte oftmals ihrem stummen Rat.
Für andre war er wunderlich, verborgen
war sein Geheimnis, das er hütet’ zart.
Dann eines Morgens fand man ihn, entschlafen
lag er, fast lächelnd, dort im Rosenhag,
wo sie einander einst im Frühling trafen
und er sie glücklich in den Armen barg.
So schön zeigt dies Gedicht, das er geschrieben,
ihr beider Glück, es war kein blasser Traum,
wie tief sich Mann und Frau verstehn zu lieben.
Doch mancher Mensch, recht nüchtern, glaubt dies kaum.
Ingrid Herta Drewing
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