Frühlingsahnen

Es heben sich die Tulpen-Spitzen
grün aus der Erde braunem Grund;
und über Asphalts Winterritzen
des Löwenzahnes Sternenrund.

Das drängt nun alles hin zum Licht
sucht nach des Frühlings milder Süße.
Im Park versammelt, dicht an dicht,
der Krokusgrüppchen zarte Grüße.

Die Amsel singt hell voller Lust
hier lieblich ihre Flötenlieder;
und auch von dir weicht Frostes Frust,
kommt endlich doch der Frühling wieder.

© Ingrid Herta Drewing

Starke Pflanze

Als Pflanze wirst du nicht gefragt;
schnell bist du umgetopft,
mit Erde zugestopft,
egal, ob ’s dir gefällt, behagt.

Doch manche gibt’s, die wehrhaft sind;
sie sprengen Topf und Steine
und wählen ganz alleine
den Weg, wo sich das Licht befind’t.

So wachsen Löwenzahnstafetten
heraus aus jedem Spalt,
besiegend den Asphalt
mit ihren grünen Sternrosetten.

© Ingrid Herta Drewing

Tagesbeginn II

Dunst über dem Tal,
die ersten Vögel zwitschern,
und Sonne geht auf.

Klare Perle, Tau
auf einem Huflattichblatt,
Geschenk des Tages.

Löwenzahnsonnen
strahlen im Grün der Wiese,
erhellen den Tag.

© Ingrid Herta Drewing

Löwenzahn II

Da fliegst du hin, du zartes Schirmgebilde.
Es trägt dich in die Weite sanft der Wind.
Wer weiß, wo auf dich warten die Gefilde,
die für dein Pflanzenleben günstig sind?

Mag sein, du landest in des Rinnsteins Ritze
und musst im Gossenwasser noch bestehen,
und schaffst es dennoch, in des Sommers Hitze
als goldne Blume sonnig aufzugehen.

Vielleicht verschlägt ’s dich ins Gemüsebeet,
versuchst dort zwischen Kohlköpfen zu leben.
Man hat dich sicher sehr schnell ausgespäht,
als Unkraut deklariert, vorbei dein Streben.

Doch wenn das Glück dich bringt in eine Wiese,
wo sommers fröhlich kleine Kinder spielen,
dann wirst ein Kränzchen du für Liv und Liese,
und darfst dich auch als Pusteblume fühlen.

Ingrid Herta Drewing

Löwenzahn

Es schwebt ein Schirmchen weiß im Wind,
bringt Löwenzahnes Samen
weit weg, und seinen Platz es find’t
ohne Papiere, Namen.

So einfach hält es die Natur,
kennt viele Arten, Weisen,
zu sichern hier des Lebens Spur,
den Erdball zu bereisen.

Wir Menschen sind sehr kompliziert,
wir brauchen Pässe, Geld,
bis eine Grenze ist passiert.
Wir regeln unsre Welt

Doch manchmal möcht’ man gerne schweben
wie an dem Schirm die Samenfrucht
und freuen sich am schönen Leben
nach Landung in der stillen Bucht.

Ingrid Herta Dewing