Sprichwörter-Gerangel

Not kennt keine Morgenstund’,
Dem Glücklichen Gebot.
Hochmut kommt,
hat Gold im Mund.
Vor dem Fall
sind viele Hunde.
Keine Stunde,
schlägt
des Hasen Tod.

Wer andern eine Grube gräbt,
ist noch kein Meister.
Lüge mit Weile,
vom Himmel gefallen,
Eile.
Der blinde Übermut
hat kurze Beine,
ist der einäugige König,
fällt selbst hinein,
tut es selten gut.

© Ingrid Herta Drewing

Tierische Limericks

Ein Hippo, sehr modebewusst,
zum Shoppen stieg jüngst aus dem Fluss,
wollt‘ kaufen sich Kleider,
doch fand ’s keine, leider.
Jetzt frisst es zu viel wegen Frust.

Ein flotter Läufer, Herr Hase,
trug stets sehr hoch seine Nase,
bis er, selbst vergessen,
begann einzunässen.
Er war zu schwach auf der Blase.

Die Ente, die gerne noch gestern
am Teiche getratscht mit den Schwestern,
war dann doch verdutzt
als ihr Ruf beschmutzt.
Nun lässt sie doch lieber das Lästern.

© Ingrid Herta Drewing

Lebensfrage

In jenen großen Kreislauf eingewoben,
wo Werden und Vergehen leise spielt,
nicht wissend, wer dies’ Leben angeschoben,
das sich hier fortpflanzt, in die Zukunft zielt.

So mimt der kleine Mensch die Schöpfungskrone,
getragen von Natur, die er zerstört,
anstatt mit ihr sein Leben hier zu schonen,
da sie allein ihm Heimat doch gewährt.

In seinem Hochmut, seiner großen Gier
vergisst er der Naturgesetze Kraft
und schlägt sie achtlos zu, die große Tür
zu jenem Raum, der ihm erst Leben schafft.

Vielleicht wird irgendwann in fernen Zeiten
hier eine Spezies sich besser vorbereiten.

© Ingrid Herta Drewing

Erntedank-Gebet II

Herr, Gott, wir danken dir für deine Güte,
für dieses Leben, das du täglich gibst,
der Erde Schönheit, ihre Wunder, Blüte
und Frucht, sichtbare Zeichen, wie du liebst.

Uns, die wir schwach, gewähr’ in deiner Gnade
die Kraft, im rechten Sinn dein Werk zu hegen,
damit wir achten hier des Lebens Pfade;
lass’ uns erkennen, wählen wahre Wege!

Stärk’ uns im Glauben, Demut uns begleite,
wo wir auf Erden herrschen und gestalten,
dass nicht die Gier, der Hochmut uns verleite,
hier deine Schöpfung tödlich zu verwalten!

Bewahren, was dein göttlich’ Wort uns hieß,
Mensch und Natur, dies’ irdisch’ Paradies.

© Ingrid Herta Drewing

Die eitle Giraffe

Wer glaubt, es gäb’ nur eitle Affen,
sonst sei Bescheidenheit die Zier,
kannte nicht Josy, die Giraffe,
und ihre große Modegier.

Dort, wo im Grase der Savanne
die schönen Schirmakazien blühen,
sah man sie oft, ohne zu spannen,
am frühen Morgen stolz schon ziehen.

Sie kriegte ihren Hals nicht voll,
den langen, trug ihn stets geschmückt,
in voller Größe, Zoll für Zoll,
mit Bändern, Klunkerkram bestückt.

Sie wollte, um sich abzugrenzen
von allen andern in der Herde,
mit ihrem Schmuck besonders glänzen
und glaubte, dass berühmt sie werde.

Nach den Touristen, ohne Scheu,
mochte sie sich den Hals verrenken,
um ihre Mode immer neu
zum allerletzten Schrei zu lenken.

Es warnten sie zwar ihre Schwestern:
„ Pass auf! Dort droht für dich Gefahr!“
Sie meinte nur: „ Ihr seid von gestern,
ich aber werd’ ein Modestar!“

So kam ’s, sie schritt mit langen Beinen
den Catwalk am Hotelpool lang,
verfing sich in der Absperrleine
und torkelte wild in den Gang.

Man jagte schnell mit Schimpf und Schande
aus dem Hotel das eitle Tier.
Das lief ins Auto, dort am Rande,
brach sich die Beine, alle vier.

Ja, manchmal liegt mit eitlem Streben
man auf der Welt total daneben.

© Ingrid Herta Drewing

Tischgespräch

Die Marmelade sprach zur Butter:
„ Ich bin gar köstlich, frag’ die Mutter,
die hier uns auf den Tisch gestellt,
ich munde allen auf der Welt!
Doch du hingegen bist nur fett.
Gar viele finden das nicht nett
und nehmen dich nicht auf ihr Brot,
wo ich erstrahle gelb, grün, rot.
Ich bin aus allerfeinsten Früchten;
da reichst du nicht heran, mitnichten!“

„ Ach, meinst du“, sprach die Butter da,
„ dir ist wohl vieles gar nicht klar,
sonst wüsstest du, dass ich als Butter
zu vielem tauge, frag’ die Mutter!
Wenn uns besondre Gäst’ besuchen,
wählt sie mich aus für leckre Kuchen.
Auch darf ich bei sehr vielen Speisen
erst den Geschmack so richtig weisen;
und kommt vom Bäcker frisch das Brot
nimmt man mich als Belag, nie Not
herrscht ohne dich, du Marmelade.
Niemand vermisst dich, schade, schade!“

Der Honig und die Margarine,
die standen schmunzelnd nebenan;
die Leberwurst, die Ölsardine,
die hatten helle Freude an
dem Streitgespräch der eitlen beiden,
das Zuhör’n ließ sich kaum vermeiden.

Der Käse meint’: “Das stinkt zum Himmel,
lasst endlich euren Hochmutfimmel!
Wir alle sind doch, bitte sehr,
nur Lebensmittel und nicht mehr.
Ein jedes ist auf seine Art
von Nutzen und steh’ nicht à parte.
Darum erspart uns diese Bürde,
hier aufzurechnen unsre Würde!“

© Ingrid Herta Drewing

Der leichtfertige Frosch

Es traf der Frosch die Kröte.
Sie sprach von ihren Nöten,
dass sie sich fürchte vor dem Storch,
denn dieser sei ein Fänger, forsch.

Da meint‘ der Frosch, das sei doch klar,
sie krieche ja so sonderbar.
Er aber könne sehr weit springen,
da würde jedem Adebar
das Fangen ganz gewiss misslingen.

Doch kaum hatte er ’s ausgesprochen,
war schnell die Kröte weg gekrochen.
Er, Nase rümpfend: „ Krötenleute !“,
hatte sehr barsch den Stab gebrochen,
vergaß zu springen
und bereute,
als ihn der Storch erfasst‘ als Beute.

© Ingrid Herta Drewing

Der Igel und die Maus


Die Maus traf einen Igel
und lachte sich fast krumm,
sprach:“ Schau mal in den Spiegel,
läufst wie ein Kaktus ’rum!“

„Mich werden Stacheln schützen
viel besser als dein Fell;
das wäre mir nicht nütze,
ich laufe ja nicht schnell.“

„ Willst  mich für dumm verkaufen?
Ich hätt’ es gründlich leid,
wie du herumzulaufen
in einem Stachelkleid.“

Doch da kam eine Schlange.
Der Igel rollt’ sich ein.
Dagegen zittert’ bange
das freche Mäuselein.

Trotz seiner Flucht zum Mauseloch
verschlang ’s die große Schlange doch.
Der Igel aber war gerettet,
lebt’ munter weiter, ungeglättet.

Ingrid Herta Drewing

Hochmut kommt vor dem Knall

Ein Fahrradreifen, alt, doch rund,
der hatte einen Platten;
er stand in der Garage und
bedauert‘ sein Ermatten.

Der Autoreifen neben ihm,
der schaut auf ihn verächtlich,
sagt’ so was würd’ ihm nie passier’n,
dafür sei er zu mächtig.

Für ihn gäb’ es kein Risiko,
nichts könnt’ Gefahr ihm bringen,
da er stabil sei, sowieso
stünd’ über allen Dingen.

Jedoch am gleichen Tage noch,
dort auf der Autobahn,
ist er, der unverwüstlich, doch
in Nägel rein gefahr’n.

Der Reifen platzte schließlich laut,
das Auto kam in Not.
Der Fahrer, der erstaunt geschaut,
entging nur knapp dem Tod.

Den Reifenrest entsorgte man
(er hatte kaum Profil).
Ja, wer sich gar zu sicher ist,
gerät ins falsche Spiel.

Ingrid Herta Drewing