In der Stille

Nur in der Stille höre ich die Klänge,
die sich in Worten, Versen fügen zum Gedicht,
sich selbst befreiend aus der Prosa Länge.
Gehorchend ihrem Fluss, der Bilder Drängen
erkenn‘ ich ihr poetisches Gesicht.

Als ob mir eine Stimme so verkünde,
hier singend, ihre zarte Melodie;
mir fremd, bekannt, ein sehnsuchtsvolles Finden
von Worten, die ich still verstünde,
die mich beglücken tief in Harmonie.

© Ingrid Herta Drewing

Gedichtsaneignung

Die Welt in Klang, Bild und Gefühl begreifen,
berührt von ihrer Vielfalt, Farben, Formen
und in Gedanken ein poetisch‘ Reifen,
das sich bestimmt, wählt seiner Worte Normen.

Und vorgetragen wirkt die Poesie,
von innen nun nach außen sanft gewandt;
in Tönen tanzend, schwingt die Melodie,
die uns im Klang der Sprache ist bekannt.

Par coeur, by heart, wir machen sie uns eigen,
bewahren sie, wenn wir sie tief erschaut,
die Worte im Gedicht sich klingend zeigen,
mit deren Rhythmen, Bildern wir vertraut.

© Ingrid Herta Drewing

Jenseits der Jahresmitte

Und wieder geht ein Tag, ein neues Blatt;
Kalender zeigt: Es ist des Jahres Mitte
nun schon seit Wochen weidlich überschritten,
jetzt, da doch Sommer uns gefunden hat.

Fast unbemerkt sind wir hinein geglitten,
und es blieb auch die Midlife Crises aus.
Der Regentage graue, stumme Bitte
fand gütig Antwort durch die Kunst zu Haus.

Die Poesie, Musik, wohl unbestritten,
der Malkunst Leuchten, ihre Farbenpracht
entschädigen für vieles, was erlitten,
wie Sterne strahlend hell in All und Nacht.

Da mag nun täglich leise Licht entschwinden;
wir werden Herbst und Winter auch verwinden.

© Ingrid Herta Drewing

Musisches Asyl

Licht malen sich mir milde Sommertage
als zarter, roter Mohn ins Aquarell;
des Dauerregens feuchte Kampfansage
wird ignoriert, ich seh’ den Himmel hell.

Will so nicht weichen einem neblig grauen
und traurig trüben, monotonen Bild.
Es gibt die Phantasie, sie lässt uns schauen
den Traum, der unsre Sonnensehnsucht stillt.

Wie die Musik, sie schenkt uns jene Sphären,
in denen wir mit lichtem Flügelglanz
aufschwingen uns in innig frohem Hören,
genießend Klänge, unsre Seele tanzt.

Und es geleitet uns die Poesie
in ihres Blütengartens Harmonie.

© Ingrid Herta Drewing

David Garett spielt Beethoven

Wer begnadet, so in Liebe
leidenschaftlich Geige spielt,
dessen Antlitz, sanfte Züge,
lächelnd tiefe Freude fühlt,
führt, von Himmelshand geleitet,
uns ins Reich der Poesie,
und Musik das Herz uns weitet
in des Glückes Harmonie.

Virtuos und innig schenkend
wächst der Violine Traum,
den ein Engel, zärtlich denkend,
zaubert in den Erdenraum.

© Ingrid Herta Drewing

Poetische Überfälle

Als sei in meinem Hirn ein Ort entstanden,
an welchem Bilder, Verse, Reime blühen,
die mir im Ohre klingen, bis sie landen
auf dem Papier, geschrieben ohne Mühe.

Wie Quellen, die aus Felsen plötzlich springen,
so sprudeln mir die Worte in den Sinn.
Es ist, als ob in mir die Sprache singe
und leichthin sage, was zu schreiben hin.

Wie eine Sucht, ich kann mich kaum erwehren,
so stürzen Reime, Verse auf mich ein,
als wolle wer ein volles Fass entleeren,
bevor er ’s rollt in seinen Keller rein.

Wie kann man es erahnen, auch ermessen,
was sich geheimnisvoll zuweilen zeigt.
Lässt doch Vernunft die Wunder meist vergessen,
wenn sie sich nüchtern über ’s Leben neigt.

„Wer lässt sich denn von Worten so betören“,
fragt sie, „sich Zeit und Sinne rauben gar,
dass er, fast Sprachrohr nur, sanft mag beschwören,
was lebt, in Versen fühlt, poetisch? Narr!“

Ein Spiel ist wohl mein süchtig’ Dichten nur,
das mich schon früh am Morgen wirken lässt;
und doch, was in mir klingt, der Verse Spur,
das hält mich wunderbar umfangen, fest.

Ingrid Herta Drewing