Kleiner Fuchs

Ein Kleiner Fuchs, kurz dem Kokon entwunden,
der schwirrte leicht dahin im Sonnenlicht.
Er hatte seine Schön-Gestalt gefunden,
dies Farbenspiel, ein leuchtendes Gedicht!
Flott flog er nun davon voll Zuversicht.

Der Blüten Vielfalt schien ihn zu verwirren;
wollt‘ kaum bei einer Blume da verweilen.
Und flatterhaft begann er sich zu irren,
dass keine könnt‘ den Nektar mit ihm teilen,
begab sich auf die Suche im Enteilen.

Er setzte schließlich,Flug erschöpft, sich nieder,
ganz in der Nähe bei dem Vogelnest.
Nun singt man diesem „Füchslein“ Trauerlieder,
denn Mutter Amsel nahm fürs Mahl ihn fest,
verfütterte den Jungen seinen Rest.

So grausam, bitter kann Natur da sein;
noch kaum gelebt, schon Schmetterling in Not!
Ist auf dem Bild der „Kleine Fuchs“ auch fein,
konnt‘ er nicht ahnen, was ihm danach droht‘,
Es wehrte Unschuld, Schönheit nicht dem Tod.

© Ingrid Herta Drewing,2016

Erster April

„Oh ja, ich wünschte mir“,
so sagt’s mein müdes Herz,
„dass Kriege,Hass und Tod,
dass Elend, Leid und Not,
wie alles Unrecht hier,
wär‘ nur ein schlechter Scherz!

Kein Hungertod, der fällt
die Menschen vor der Zeit!
Denn Hände gütig geben,
im Lichte weben Leben.
Es siege Menschlichkeit!“

© Ingrid Herta Drewing,2016

Katastrophen

Das Fernsehn bringt fast täglich Katastrophen
zu dir ins Zimmer, aber sehend blind
stehst du, gebannt und hilflos, kennst die Strophen
der Kommentare, die dann üblich sind.

Die Zahlen, die du hörst, wohl kurz erschrecken,
verbergen das, was menschlich dich bewegt;
bis plötzlich dann ein Bild vermag zu wecken
dein Mitleid, sinnst, wie man nun Hilfe heg’.

Du spendest Geld, beruhigst so dein Gewissen,
dass du noch bist vom Missgeschick verschont,
das andre aus den Träumen hat gerissen.
Dann läuft dein Leben weiter, wie gewohnt.

© Ingrid Herta Drewing, 2016 (Üb.v. 2010)

Kriegstanz

Wo Chaos herrscht und dunkle Macht,
da tanzt der Schlangenkönig.
Er schürt des Krieges Feuer, lacht,
ob der Zerstörung, die entfacht.
Den Kosmos schätzt er wenig.

Er fördert Terror, Niedertracht,
sein Mammon wächst mit Waffen,
die er verschiebt mit viel Bedacht.
Obwohl sie tödlich ist die Fracht,
zählt für ihn nur das Raffen.

Das Leben nimmt er nur in Acht,
gehört’s zu seinen Kreisen;
dann hält er sorgsam auch die Wacht.
Ansonsten liebt er Todes Tracht,
lässt’s Leben gern entgleisen.

© Ingrid Herta Drewing,2016

Frage

So vieles scheint mir fremd,
kann es kaum fassen,
dass noch herrscht ungehemmt
dies’ harte Hassen.

Es ist der Mensch fragil,
ein schwindlig’ Wesen.
Nur Liebe führt zum Ziel,
lässt ihn genesen.

Wann sieht er endlich klar,
erkennt, dass Leben
geschenkt und wunderbar
uns ist gegeben?

© Ingrid Herta Drewing

Leben

Wir Menschen, Meister im Verdrängen,
hier leben auf dem Weltenrund,
als ob wir ewig Lieder sängen,
von Tod nichts wüssten, uns nicht zwängen
des Lebens Grenzen, letzte Stund‘.

Uns trägt die Phantasie, schenkt Flügel,
verleiht uns Freude, Lebensmut.
Zwar ahnen wir des Todes Hügel,
jedoch wir halten fest die Zügel
und lenken unser Dasein gut.

Und müssen wir das Leben lassen,
dereinst von dieser Erde gehn,
erkennen wir noch im Verblassen,
dass alles, was wir gerne fassen,
geliehen war – und doch so schön.

© Ingrid Herta Drewing

Der Fährmann und die Armen Seelen

Der träge Fluss im Nebelhauch,
nur trübes Licht, Novembermorgen,
doch überm Fährhausdach der Rauch
zeigt an, ein Mensch lebt hier geborgen.

Tagaus,tagein scheut er nicht Mühe
und bringt die Wandrer übern Fluss;
ob abends spät, ob in der Frühe
ist ’s für ihn ein gewohntes Muss.

Doch heut’ beschleicht ihn banges Ahnen,
er träumte nachts, es hieße Tod
ihn Charon, und mit ernstem Mahnen
brächt’ er die Toten in sein Boot.

Ihn graust ’s, als er zur Fähre schreitet.
Man rief nach ihm, doch keiner da!
Ein kaltes Schaudern ihn begleitet,
als er bemerkt den Schatten nah’.

Der Fährmann zögert, fühlt Gefahr,
ruft rüber:“ Jetzt fehlt mir die Sicht,
ein wenig später, wenn es klar,
werd’ ich erfüllen meine Pflicht.“

„ Hol über, Fährmann,will’s dir lohnen
mit Gold; so scheu das Rudern nicht;
musst heut’ dein Boot nicht ängstlich schonen,
der Nebel ist nicht gar zu dicht!“

Da überwindet sich der Mann,
setzt übern Fluss, und es steigt ein
ein Herr, sehr vornehm, sagt sodann:
„ Nimm diesen Batzen, er sei dein!“

Er nimmt den Lohn und lenkt das Boot,
erleichtert;doch in Flusses Mitten
senkt sich der Kahn, gerät in Not,
als sei viel Volk hinein geglitten.

Und er hört nun,erschrocken staunend,
„ Erlöse uns von unsrer Schuld!“
Ein Wimmern, Arme Seelen raunend:
„ Rett’ uns ans Ufer, üb’ Geduld!“

Dem Fährmann sträubt sich fast das Haar,
doch zieht er fest die Riemen an;
der Fremde, scheint’s ihm,lächelt gar!
Nun rudert er, so schnell er kann.

Dann endlich ist der Steg in Sicht,
und sicher legt dort an der Kahn,
der plötzlich strahlt in hellem Licht,
als breche Sonne sich die Bahn.

Und vieler Stimmen Dankesworte
vernimmt der Fährmann, schaut sich um:
Es ist kein Passagier vor Orte;
er denkt an Wahnsinn, fühlt sich dumm.

Doch das, was ihm der Herr gezollt,
das will ihn dennoch überraschen:
Er findet jenen Batzen Gold
ganz tief in seinen Hosentaschen.

Nur dann zu Haus sein Spiegelbild
blickt fremd ihn an: ein alter Mann.
Das schwere Werk, das er erfüllt’,
hat ihn gezeichnet also dann.

© Ingrid Herta Drewing,2015 ( Üb.von 2013)

Zu Allerheiligen und Allerseelen

Und nichts ist von Dauer, was wir erkiesen,
alles nimmt hin ohne Mitleid die Zeit,
die Wasser, die tosend zum Meere fließen,
die Pflanzen, die blühend und welkend sprießen.
Uns steht hier vieles nur sehr kurz bereit.

Sogar die Sterne, die himmlisch erglänzen,
sterben von Anbeginn in ihrem Licht.
tragen es dennoch so weit und kredenzen,
weiten uns Menschen die irdischen Grenzen,
ein Himmel voll Hoffnung und Zuversicht.

Zuversicht wächst in vertrauendem Glauben,
dass gütig uns, wenn unser Leben einst fällt,
der Herrgott in seiner Gnade erlaube,
die Seinen zu sein, wenn, fern allem Staube,
geborgen in seiner Hand er uns hält.

© Ingrid Herta Drewing

Balkanroute

Das Herz,es weint und fühlt die Not
der Menschen,die dort ziehen.
Das Unheil, das fast täglich droht
durch Meuchelmord und Bombentod,
lässt sie ins Ausland fliehen.

Erbarmen sagt der Exodus
der Männer, Kinder, Frauen;
sie scheuen weder Meer noch Fluss,
die Angst diktiert das harte Muss,
ein tief erlebtes Grauen.

Zu helfen gilt es, doch verstopft
sind nun Europas Ohren.
Nachdem Millionen angeklopft,
und aufgenommen,ruft’s verkopft
nach Grenzen,Kraft verloren.

Bedroht von einer Menschenflut,
die naht, schier ohne Ende,
sieht sich so mancher ohne Mut,
bangt um des Staates Recht und Gut
und fordert flugs die Wende.

Ja, hin zum Guten mag’s sich wenden,
und Friede kehre endlich ein,
dass Kriege, Leid und Hunger enden,
die Völker denen Hilfe spenden,
die jetzt im Elend noch allein!

© Ingrid Herta Drewing,2015

Warteschleife

Nein,Tod, ich mag nicht in die erste Reihe,
obwohl ich sehe, vor mir wird es licht.
So viele gingen, gehen jetzt; verzeihe,
noch lockt das Leben hier mich in die Sicht.

Schön wäre es, du wartest noch Jahrzehnte,
bis du mich holen kommst, bringst aus dem Tritt!
Der Erde helles Leben, das ersehnte,
es lockt noch immer mich und nimmt mich mit.

So lass mich bitte hier die Zeit noch bleiben,
erbeben in der Jahreszeiten Spur,
um in Gedichten, Bildern zu beschreiben
die schönen, kleinen Wunder der Natur!

Ich weiß, anmaßend klingt sie, diese Bitte:
Lass mich verweilen, zähl‘ nicht meine Schritte!

© Ingrid Herta Drewing,2015