Aufgewacht

Wieder erwacht!
Dies‘ Wunder jeden Morgen!
Ein Tag holt neu dich auf die Welt.
Du warst weit weg,
in Träumen tief geborgen,
in Sphären, die ein sanfter Schlaf bestellt.

Dein Ich ist da
und sieht die Wirklichkeiten
im Blick der linearen Zeit.
Du merkst, geweckt,
dass dich der Träume Gleiten
hier lenkt zum Leben, dir sagt:Sei bereit!

© Ingrid Herta Drewing

Weihnachtswichtel

Weihnachtswichtel emsig sind,
wollen Kinder froh beglücken,
und sie hämmern, nähen, stricken,
bauen, reparieren, sticken;
stets bedacht, dass nicht ein Kind
sie erspäht mit seinen Blicken.

Nico glaubt, er sei gewitzt,
könne sie bei Nacht belauschen,
wie sie miteinander plauschen,
sich mit Weihnachtspunsch berauschen,
hätte zu gern was stiebitzt,
würd‘ ihr Werkzeug mal vertauschen.

Er versteckt sich flugs im Schrank,
hört alsbald auch so ein Raunen,
kleiner Wichte frohe Launen,
und ihr Lachen lässt ihn staunen,
wie sie albern auf der Bank
sich bewerfen gar mit Daunen.

Einer spricht dann:“Ach, wie schade,
wenn wir hier nur auf den Stühlen
tollen, tanzen, albern, wühlen,
gibt’s für Nico nichts zum Spielen!
Doch die Arbeit wird uns fade,
wenn ein Mensch mag nach uns schielen!“

Nico hört ’s und wird ganz blass.
Wird er wirklich müssen darben?
Keine schönen Weihnachtsgaben,
Süßigkeiten, sich zu laben?
Mutig ruft der Junge,dass
er doch nichts gesehen habe.

Was die Wichtel dann gemacht,
das weiß nun auch Nico kaum.
Er wacht auf aus seinem Traum,
ist recht froh, dass dies‘ nur Schaum,
was er hörte in der Nacht.
Überm Bett jedoch schwebt sacht
einer Daunenfeder Flaum.

Nico sieht’s und hofft bedacht,
dass doch unterm Weihnachtsbaum
ein Geschenk auch ihn anlacht.

© Ingrid Herta Drewing

Augenweide

Des Herbstes Feuer leuchten in den Bäumen.
Goldgelb und Rot erwächst aus lichtem Grünen,
und Blätterteppiche die Stämme säumen;
die Farbenpracht beherrscht die Wiesenbühnen.

So lieblich wirkt hier dieses Abschiedsfest,
das die Natur noch zärtlich zelebriert,
bevor sie Blätter fallen, welken lässt
und in des Raureifs Silberglanz gefriert.

Als gebe sie durch Schönheit ihr Versprechen,
dass, bald nach Nebelnacht und Winterzeit,
das Leben werde wieder blühend sprechen,
wenn es in Frühlingsmilde ist bereit.

Wir Menschen kennen diese sanfte Spur
und schwingen mit im Kreislauf der Natur.

© Ingrid Herta Drewing

Oktobergold

Verhüllt von Nebel die Konturen,
in stummem Schlaf die Landschaft liegt,
wo, flüsternd über feuchten Fluren,
das Licht diffus im Grau verfliegt.

Die Sonne kann nur kraftlos scheinen.
Jedoch am Mittag gilt Gewinn,
wenn sich die Strahlen hell vereinen
und raffen Nebels Macht dahin.

Dann schimmert Blattgold in den Zweigen,
es leuchtet rot der Amberbaum,
und zärtlich tanzt im Blätterreigen
der Herbst, entführt in sanften Traum.

© Ingrid Herta Drewing

Seltsamer Traum

Mir schien heut’ Nacht so still die Welt,
als könnt’ ich ihre Träume lesen,
ihr innerstes und tiefstes Wesen,
was sie vor uns verborgen hält.
Sie sprach von Einsicht und Genesen.

Da fielen von dem Baum, der blühte,
rotgoldne Früchte sanft herab.
Jedoch, wie sehr ich mich auch mühte,
ich hob’ sie nicht auf, sie verglühten;
ihr Feuer matt im Gras erstarb.

Da wacht’ ich auf im Traum; versonnen
sah ich zum Fenster dort hinaus,
bemerkte, dass man hatt’ begonnen
den Müll zu leeren aus den Tonnen,
den Baum zu fällen vor dem Haus.

Und seine Blüten- Äste lagen
am Bordstein dort verstreut im Dreck.
Ich sah ’s und fühlte Krampf im Magen,
laut wollte ich dagegen klagen
und blieb doch stumm auf meinem Fleck.

© Ingrid Herta Drewing

Unter Linden

Wie lieblich duften nun die Linden,
die golden, reich in Blüte stehen.
Mag nasenselig mich ergehen,
in der Allee mich gern einfinden.

Da möcht’ ich Hummel, Biene sein,
ganz tief in diese Blüten kriechen;
nicht für den Nektar, nein, nur riechen
ihr süß‘ Parfüm im Sonnenschein!

Doch Labsal sind auch so die Bäume.
Die feuchte Luft nach Juniregen
schenkt milden Duft; der Linden Segen
lässt hier die Stadt vom Sommer träumen.

© Ingrid Herta Drewing

Frühlings Sieg

Die ersten Blüten, kaum erwacht am Baume,
die nahmen Sturm und Regen mit sich fort.
Das zarte Frühlingslächeln, noch im Traume,
wich dunklen Wolken kurz an diesem Ort.

Als wolle Winter sich noch einmal wehren,
bevor er für den Frühling räumt das Feld.
Ein letztes, kaltes, grimmig’ Aufbegehren,
dann unterliegt er doch dem Strahlenheld.

Des Frühlings Boten sind längst eingetroffen
und haben, heimlich webend über Nacht,
ein neues Werden, lichtes Blühen, Hoffen,
das milde, leichte Leben mitgebracht.

So muss nach Norden nun der Winter weichen.
Der Lenz spielt die Musik in seinem Reiche.

© Ingrid Herta Drewing

Im Traum

Wo zwischen Schlaf und Wachen Träume wohnen,
erzählt dir deine Seele schön Geschichten
und wartet auf mit einem Farbenspiel
in Bildern kraft- und eindrucksvoller Dichte.

Da will die Welt so wirklich dir erscheinen.
Was lange schon vergangen, ist dir nah’
und windet sich empor wie Grün’ aus Steinen;
was du verdrängt, verborgen, siehst du klar.

Und kannst es nun erfühlend auch erschauen,
wenn dich kein Alp bedrängt mit arger List.
Doch noch im Traume sagt dir ein Vertrauen,
dass du in Gottes Hand geborgen bist.

Mehr als ein Ritual, das obsolet,
ist doch seit Kindertagen dein Gebet.

© Ingrid Herta Drewing

Selbstgespräch eines Amateurs

Nicht jeder, der reimt, ist ein Dichter.
Nicht alles, was blüht, trägt auch Frucht.
Oft leiten des Traumes Gesichter
und locken in weltliche Flucht.

Da mag sich so mancher betäuben,
säuft süß sich an Worten satt.
Sieht schon der Bienen Bestäuben,
wähnt sich auf Zweig’s grünem Blatt.

So vieles auf Erden ist Spiel,
doch darum nicht weniger gut.
Such’ reinen Herzens dein Ziel,
verliere dabei nicht den Mut!

Dann mag dir vielleicht auch gelingen
das eine, das gute Gedicht,
in welchem das Leben wird singen.
Und mehr will ein Dichter wohl nicht.

Ingrid Herta Drewing

Versöhnen

Hörst täglich die bösen Berichte,
doch heimlich, sehnsüchtig ranken
verspielt sich Träume, Gedanken,
entfalten dir zärtlich Gedichte.

Und wandeln auf heiligen Spuren
der Rose, in Schnee geschrieben;
ihr Flüstern sagt schlafenden Uhren,
es sei endlich Zeit, zu lieben.

Da rasseln die Wecker, ihr Dröhnen
wird liebliches Klingen, und bald
ertönt das Lied vom Versöhnen,
das lange im Herz widerhallt.

Ingrid Herta Drewing