Die Gerade

Es war eine Gerade,
die dachte :“Ach, wie schade,
dass ich so einsam bin!
So eine Parallele,
mit der fänd‘ ich als Stele
auch einen neuen Sinn.

Vielleicht, das wäre heiter,
wir fänden uns als Leiter
mit vielen kleinen Streben
und führten hoch hinauf,
des Früchte Erntens Lauf
im Kirschbaum zu erleben.“

So träumte die Gerade
auf ihrer Promenade
nur vor sich hin.
Den Kreis, der ihr Begleiter,
berührte sie kaum weiter,
Tangentensinn.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Mai-Picknick

Es lockt der Wald im Maiengrün,
und aus den grauen Mauern ziehn
wir unternehmungslustig.
Das Picknickkörbchen unterm Arm,
sind, fern von Alltagsstress und Harm,
wir fröhlich, frühlingsdurstig.

Sogar Hans-Jürgen lässt das Googeln,
mag heut im Wiesengrün sich kugeln
und toben mit den andern.
Auch Tine, die sonst gern zu Haus
in Stille liest, zieht’s nun hinaus;
sie denkt sogar ans Wandern.

Da löst manch Lied sich von den Lippen,
die Kinder auf dem Baumstamm wippen
und spielen unbeschwert.
In der Natur mit allen Sinnen
im Lenz die Leichtigkeit gewinnen,
das scheint uns lebenswert.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Fastnachtszeit

Schon feiern sie die fünfte Jahreszeit.
Der Sitzungskarneval ist voll im Schwange,
und in der Bütt im bunten Narrenkleid
entlarvt satirisch man mit Witz‘ ohn Bangen,
was es an Missständ‘ gibt, schon ärgert lange,
was sich so ändern sollt‘ bei Land und Leut‘.

Da ziehen Narren lärmend durch die Straßen.
Sie,die sonst tarnen sich als brav und bieder,
vergessen enge Grenzen, Bürgermaße.
Fast hemmungslos spielt man ver-rückt nun wieder
und singt weinselig alte Fastnachtslieder,
die viele schon vor langer Zeit vergaßen.

Und Timo streift der Mut, die Maskerade
lässt ihn nun Held, Latino, Zorro sein.
Kühn springt er über eine Balustrade,
verstaucht den Knöchel sich am rechten Bein,
ruft:“ Senorita,kommt, der Tanz ist mein!“
Sie lässt ihn stehen, meint:“Ja, Senior, schade!“

Den Trost beschert ihm eine Krankenschwester;
sie kühlt den Knöchel ihm beherzt mit Eis,
und er erkennt sie, Helga, die Sylvester
ihm schon lieb zugetan im kleinen Kreis
beim Feiern im Hotel auf einer Reis‘,
und hofft, dass sie sagt:“ Ja, komm mit, mein Bester!“

Die Kinder, kostümiert hier in den Gassen,
sie fühlen sich im Reich der Phantasie,
woll’n sich beim Zug den Spaß nicht trüben lassen,
vertieft in ihre Rolle sind auch sie,
da mag der Schnee gar reichen bis zum Knie,
sie werden schnell die Bonbons fangen, fassen.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Erster Schnee

Schneeflocken fallen nieder;
die Erde wird nun weiß.
Der Tannen grün Gefieder
verleihen sie jetzt wieder
dies‘ winterlich‘ Geheiß.

Bald liegt das Tal geborgen,
versteckt im weichen Schnee,
als seien alle Sorgen
verschwunden früh am Morgen
durch Zauber aus der Höh‘.

Die Kinder froh dort tollen
beglückt im ersten Schnee;
beherzt sie Kugeln rollen,
den Schneemann bauen wollen
sie, fern von Kälte, Weh.

Ein Spaß! Es wird gescherzt, gelacht.
Wie ist der Winter schön!
Auch bei der wilden Schneeballschlacht
kein Kind gar böse Miene macht.
Nur Freude ist zu sehn.

So bringt des kalten Winters Zeit
doch Glück trotz manchem Kummer, Leid.

© Ingrid Herta Drewing,2013

Lebensfrage

Was wäre Leben
ohne Luft und Wärme,
die Tiere, Pflanzen,helles Licht?
Kein sanftes Weben,
keine Bienenschwärme
hier sorgten für die Frucht.Verzicht!

Was wäre Leben
ohne Glauben, Lieben,
ein Dasein aller Hoffnung bar?
Ein eitles Streben,
nur ein Werden, Üben,
und – sähe da Vernunft noch klar?

Was wäre Leben
ohne Kinderlachen,
die kleine Hand, die deine hält?
Dies Gück, gegeben,
lässt dich sorgsam wachen,
schenkt Güte hier in harter Welt.

© Ingrid Herta Drewing,2013

Schätze

Drei Wölkchen, hauchzart vor des Himmels Blau,
Spätsommerträume in die Lüfte malen;
und dennoch zeigt sich Herbst nun nah der Au:
Kastanien spähen schon aus ihren Schalen.

Gehütet wie ein Schatz, in Kinderhand
die ersten,braunen Früchte, die hier fallen.
Was später unterm Baum in Massen Tand,
lässt Überraschung, Freude jetzt aufwallen.

Was rar ist, wird als wertvoll angesehen
und rückt recht klar in unsren Sammlerblick.
Was stets verfügbar scheint, bleibt achtlos stehen;
zu oft wird so verkannt das nahe Glück.

Jedoch das Leben lehrt uns mit den Jahren,
es selbst als größten Schatz hier zu erfahren.

© Ingrid Herta Drewing,2013

Vermächtnis

Ja, Kinder, euch, die ihr mit Wunderaugen
so offen in die Welt, ins Leben blickt,
von allem Hässlichen noch fern entrückt,
gehört die Zukunft, soll auch für euch taugen.

Wir, die hier euren Weg bereiten wollen,
vergessen all zu oft die hehre Pflicht,
zerstören diese Erde, hegen nicht,
was lebenswert wir übergeben sollen.

Es gilt zu pflegen diesen Blütengarten,
die Flüsse,Seen, Meere halten rein,
zu schützen aller Pflanzen, Tiere Arten,
mit denen wir auf Erden dürfen sein.

Damit euch dies‘ natürlich‘ Paradies
zur Heimat werde und kein grau Verlies.

© Ingrid Herta Drewing

Himmelbett

Nun grüßt uns doch in Flocken weiß
die winterliche Erde.
Es fällt der Schnee; mit großem Fleiß
stoppt Holle die Beschwerden
der Kinder, die so lange baten,
sie möge klopfen Betten,
damit des Winters Spaß könnt‘ starten,
den sie erwartet hätten.

Jetzt lockt bereits die Schneeballschlacht,
das Ski-und Schlittenfahren.
Ein Schneemann vor dem Haus hier lacht,
darf Winterfreud‘ bewahren.

© Ingrid Herta Drewing

Aufklaren

Überm roten Ziegeldach
strahlt ein himmlisch‘ Blau;
Wolkenwand schwand über Nacht,
endlich auch die Sonne lacht
über Tal und Au.

Ein Geschenk, die Luft so klar,
lockt ins Freie raus.
Was noch gestern sonderbar,
trostlos hier im Nebel war,
glänzt hell vor dem Haus.

Und die Kinder hält nichts mehr,
wollen draußen toben:
Ball und Springseil müssen her,
Gameboy-Spiel und Teddybär
ruh’n im Zimmer droben.

Bin im Garten, schaue zu,
wie die Kleinen spielen.
Warm gekleidet, fest die Schuh‘,
kann auch ich mich,fern‘ der Ruh‘,
froh und glücklich fühlen.

© Ingrid Herta Drewing

Freude

Die Weihnachtsfreude lässt sich Zeit,
scheint fast im Nebel zu ertrinken,
obschon im Trubel wir bereit,
in satter Flitter-Seligkeit
und Lichterglanz ihr zuzuwinken.

Es ist Adventszeit jedes Jahr
der Anlass dieser Feierlaune.
Jedoch geschäftig und bizarr
wird dominiert vom Handel klar,
was uns der Glaube lehrt zu staunen.

Doch Kinder tragen im Erwarten
des Christkinds Freude hell im Blick;
Verliebte auch;sie seh’n den Garten,
der Hoffnungsblüten, wunderzarte,
nun reichlich schenkt als sel’ges Glück.

Wir andern warten auf die Stille,
wenn uns, dem Wuseln ganz entrückt,
fernab von sorgbemütem Willen
die Andacht innig schenkt die Fülle,
die in der Christnacht froh beglückt.

© Ingrid Herta Drewing