Scheidung

Für beide gab es nichts mehr zu erklären,
gekommen war die Zeit, sie trennten sich.
Versuche gab es, sich noch zu bewähren,
doch jeder kreiste nur ums eigne Ich.

Verliebt ist mancher schnell, doch Lieb’ will reifen,
den Partner so zu achten, wie er ist,
und nicht erziehend sich an ihm vergreifen,
damit er eigner Projektion entspricht.

Die Ehe war zum Glück noch kinderlos,
so galt es nur allein für sie, zu tragen
den Makel, das Bewusstsein, zu versagen,
Verlust von etwas, das einmal schien groß.

Sie werden beide neue Wege finden,
und manchmal wird, vernarbt, die Wunde schmerzen
Allmählich werden sie auch das verwinden,
was das Erinnern spült in ihre Herzen.

© Ingrid Herta Drewing

Buchstäbliches Geschehen

Ein B trifft das All,
sagt: „Nimm mich zum Ball,
umkreisend die Sonne als Erde;
das W hilft beim Werden.“
Das W weiß, das war’s,
steht Kopf und wird Mars
in der Planetenherde.

*

Das R verließ zwei Rehe.
Sie fanden sich in Ehe,
obwohl sie doch recht scheue.
Und als das T der Treue
dann eines Tags verblich,
nahm jedes nun für sich,
ganz ohne R der Reue
ein N; sie wurden Neue.

© Ingrid Herta Drewing