Hummers Zeit und Leid
Tom Scherenlang, ein Hummer,
’ne kraftvoll große Nummer,
der lag allein im Meer.
Jedoch, er war kein Dummer
und wusste, dass nach Summer,
nun Zeit zur Paarung wär‘.
So suchte er ’ne Höhle,
er war ’ne treue Seele,
zur Zweisamkeit bereit.
Und ohne viel Genöle
ihm folgte Schön-Adele
als Braut im Hochzeitskleid.
Der Panzer war verschwunden,
sie hatte unumwunden
ihn vorher abgelegt,
damit für Liebesstunden
sie ward als weich empfunden,
von Tom nun sanft gehegt.
Zur Paarung so entbunden,
für etwa fünf Sekunden
sie lagen Bauch an Bauch.
Adele konnt ’s bekunden,
hat ’s Samenpack gefunden,
Nachwuchs sollt‘ kommen auch.
Als sie nicht mehr empfänglich,
ihr Panzerschutz zulänglich,
kroch Tom von diesem Ort
(wo er fast überschwänglich
die Scheren streckte länglich)
nach ein paar Wochen fort.
Er war kein Schuft, sein Gehen
war nicht ein Missverstehen,
nur der Natur Gesetz.
Adele, gut versehen,
zur Eibefruchtung stehen
sollt‘ sie ein Jahr lang jetzt.
Tom sah nie seine Erben,
weil er ein frühes Sterben
durch einen Fischer fand,
In dessen Hummerkörben,
wo er erneut wollt werben,
trug man ihn weg an Land.
Bös war’s dort im Gelände,
als eines Menschen Hände
ihn griffen hart am Kopf
und warfen ihn behände
in heiße Brüh‘, sein Ende
traf ihn im Suppentopf.
Ich kann das nicht vergessen,
werd‘ niemals Hummer essen,
wenn man dies‘ Tier so quält.
Und fühl‘ mich nicht vermessen,
wenn ich da froh, statt dessen,
bewundre seine Welt.
© Text: Ingrid Herta Drewing
Foto: Pixabay