Peinliche Verwechslung

Zur 5-Wörter-Vorgabe
(“ Glück, verboten, Brille, Fest, Fassade“)

Zum Verschönern der „Fassade“
trug Ernst August keine Brille,
doch im Haar recht viel Pomade,
dass zur Pfingstfest-Promenade
endlich sich sein Glück erfülle.

Stolz auf sich, fast hingerissen,
wagte er es, auszuloten
in Gesellschaft, recht beflissen,
fremde Hände kühn zu küssen.
Doch dem Hausherrn schien’s verboten.

Dies sei doch sehr despektierlich,
sagte der, entzog die Hand,
was bei Damen wohl manierlich,
sei bei ihm höchst ungebührlich,
zeige Augusts Unverstand.

Schnell nahm der die Brille wieder:
Statt der Tochter sieht bei Licht
er den Vater, der sehr bieder,
ernst auf ihn hier schaut hernieder,
streng verweisend auf die Pflicht.

Und Ernst August, unumwunden,
bittet höflich um Pardon.
Jetzt da er zur Sicht gefunden,
da erkennt er ihn als Kunden
und zieht leicht blamiert davon.

© Ingrid Herta Drewing,2017

Erkenntnis

Ein Plattfisch traf ’nen Kugelfisch
und fragte sehr beflissen:
„Warum bist du nicht platt wie ich?
Das möchte ich gern wissen!“

Der Kugelfisch sprach:“Ach wie matt
und auch sehr ungesund
wär‘ das, wenn ich wie du so platt
läg‘ auf des Meeres Grund.

Ich schwebe ganz gemächlich hier
am Riff recht schön dahin,
erkunde froh so mein Revier,
rundum zufrieden bin.

Und will mir gar ein Raubtier droh’n,
pump ich mich mächtig auf,
zeig meine Stacheln ihm als Lohn,
dann fehlt’s der Jagd an Lauf.“

„ Ach so, dir dient die Form als Schutz,
gleicht meiner Mimikry,
wenn ich mit Farbenwechsels Trutz
getarnt vor Feinden flieh!

So gibt’s für jedes Tier im Meer
wohl einen Sinn der Form,
der ihm zu leben gibt Gewähr.
Das find ich ganz enorm!“

„ Ja, davon abgesehen, und
oft ist doch Gleichheit nichtig.
Die Vielfalt macht das Leben bunt,
ob jemand platt ist oder rund
ist letztlich nicht so wichtig!“

© Ingrid Herta Drewing,2016

Erkenntnis

Von Fernweh trunken in den Jugendjahren,
zog’s mich hinaus in eine fremde Welt.
Ich glaubte, nur so könnte ich erfahren,
erkennen meinen Weg im Wandelbaren,
was mich im Leben wach und wissend hält.

Es wuchs die Demut wohl; ich durfte schauen,
wie Gottes Schöpfung ist in Vielfalt schön
und lernte, ein Gesicht zu lesen, trauen
nicht jener Scheinwelt, wo die eitlen Pfauen
so selbstverliebt in Spiegeln sich besehn.

Doch weiß ich heute wohl, nicht nur die Ferne
ermöglicht der Erkenntnis klaren Blick.
Im Kleinen auch wirkt Zauberglanz der Sterne;
er ist so nah und weist den Pfad dir gerne
zu jenem lichten, uns geschenkten Glück.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Tierische Limericks

Amanda, die Weinbergschnecke,
kriecht oft in die Rebenhecke.
Im Herbst liebt sie’s Rauben
vergorener Trauben,
und liegt berauscht in der Ecke.

Pieksie, recht eitel und Igel,
sah neulich mal in den Spiegel;
statt stachlig zu hocken,
wünscht er sich nun Locken
mit einem Dauerwell-Siegel.

Drei Frösche aus Wimpfen am See,
die quakten auf Hessisch, wie schee!
Sie suchten ’ne Bühn‘,
wo sie, Rot-Rot-Grün,
verabschieden Volker Bouffier.

© Ingrid Herta Drewing,2013

Die eitle Giraffe

Wer glaubt, es gäb’ nur eitle Affen,
sonst sei Bescheidenheit die Zier,
kannte nicht Josy, die Giraffe,
und ihre große Modegier.

Dort, wo im Grase der Savanne
die schönen Schirmakazien blühen,
sah man sie oft, ohne zu spannen,
am frühen Morgen stolz schon ziehen.

Sie kriegte ihren Hals nicht voll,
den langen, trug ihn stets geschmückt,
in voller Größe, Zoll für Zoll,
mit Bändern, Klunkerkram bestückt.

Sie wollte, um sich abzugrenzen
von allen andern in der Herde,
mit ihrem Schmuck besonders glänzen
und glaubte, dass berühmt sie werde.

Nach den Touristen, ohne Scheu,
mochte sie sich den Hals verrenken,
um ihre Mode immer neu
zum allerletzten Schrei zu lenken.

Es warnten sie zwar ihre Schwestern:
„ Pass auf! Dort droht für dich Gefahr!“
Sie meinte nur: „ Ihr seid von gestern,
ich aber werd’ ein Modestar!“

So kam ’s, sie schritt mit langen Beinen
den Catwalk am Hotelpool lang,
verfing sich in der Absperrleine
und torkelte wild in den Gang.

Man jagte schnell mit Schimpf und Schande
aus dem Hotel das eitle Tier.
Das lief ins Auto, dort am Rande,
brach sich die Beine, alle vier.

Ja, manchmal liegt mit eitlem Streben
man auf der Welt total daneben.

© Ingrid Herta Drewing

Tischgespräch

Die Marmelade sprach zur Butter:
„ Ich bin gar köstlich, frag’ die Mutter,
die hier uns auf den Tisch gestellt,
ich munde allen auf der Welt!
Doch du hingegen bist nur fett.
Gar viele finden das nicht nett
und nehmen dich nicht auf ihr Brot,
wo ich erstrahle gelb, grün, rot.
Ich bin aus allerfeinsten Früchten;
da reichst du nicht heran, mitnichten!“

„ Ach, meinst du“, sprach die Butter da,
„ dir ist wohl vieles gar nicht klar,
sonst wüsstest du, dass ich als Butter
zu vielem tauge, frag’ die Mutter!
Wenn uns besondre Gäst’ besuchen,
wählt sie mich aus für leckre Kuchen.
Auch darf ich bei sehr vielen Speisen
erst den Geschmack so richtig weisen;
und kommt vom Bäcker frisch das Brot
nimmt man mich als Belag, nie Not
herrscht ohne dich, du Marmelade.
Niemand vermisst dich, schade, schade!“

Der Honig und die Margarine,
die standen schmunzelnd nebenan;
die Leberwurst, die Ölsardine,
die hatten helle Freude an
dem Streitgespräch der eitlen beiden,
das Zuhör’n ließ sich kaum vermeiden.

Der Käse meint’: “Das stinkt zum Himmel,
lasst endlich euren Hochmutfimmel!
Wir alle sind doch, bitte sehr,
nur Lebensmittel und nicht mehr.
Ein jedes ist auf seine Art
von Nutzen und steh’ nicht à parte.
Darum erspart uns diese Bürde,
hier aufzurechnen unsre Würde!“

© Ingrid Herta Drewing

Der Bär und der Wolf

Der Bär am Ufer, dort am Fluss
freut sehr sich auf des Lachs’ Genuss,
den er im Wasser flink gefangen,
bevor der konnte weg gelangen
schnell schwimmend da mit seinesgleichen,
um bald am Oberlauf zu laichen.

Da stört ihn plötzlich Ede Wolf
und fragt ihn: „Sag mir, spielst du Golf?
Ich lad’ dich ein zu Nobel Dachs,
wenn du mir gibst ein Stückchen Lachs.
Golf ist zurzeit die große Mode,
selbst König Löwe singt die Ode:
Wer vornehm ist, was auf sich hält,
spielt Golf, weil ihm das Spiel gefällt.“

„Was“, staunt der Bär, dem Wolf vertrauend
und kaum noch nach den Fischen schauend,
„ meinst du, ich könnt’ das wirklich lernen?
Ich müsst’ mich ja vom Fang entfernen.“
„ Klar“, sagt der Wolf, “ so elegant
wie dir das Fischen geht von Hand,
wirst du gleich erste Liga sein;
dein Handicap nimmt alle ein!“

Der Bär, der sich geschmeichelt fühlt,
auch innerlich recht aufgewühlt,
folgt nun dem Wolf zur fernen Wiese,
auf der sich Golf gut spielen ließe.
Und während sie sind auf dem Weg,
hat Wolfes Meute sich bewegt
und stiehlt des Bären guten Lachs.

Der Bär fragt Wolf:“ Wo bleibt denn Dachs?“
Wir sollten doch gemeinsam spielen“
„Warte ruhig hier und üb’ schön Zielen,
ich sehe nach, wo Dachs wohl bleibt!
Viel Spaß solang beim Zeitvertreib!“

Nachdem zwei Stunden sind vergangen,
und weder Dachs noch Wolf gekommen,
merkt Bär, man hat ihn hintergangen,
ihm alle Fische weggenommen.
Und er erkennt, dass Schmeichelei
ihn arg getäuscht, ihm Lehre sei:

Trau keinem, ganz gleich welcher Art,
der dir schmiert Honig um den Bart!

© Ingrid Herta Drewing

Fern der Märchenweisheit

Da mögt ihr rufen
und hoffen,
es werde gehört
dort jenseits
des dunklen Flusses,
wo der Fährmann,
des Ruderns müde,
auf Ablösung wartet.

Märchenweisheiten,
bleiben unbeachtet
wie die Erwartung,
es werde wer sagen,
der Kaiser sei nackt.

Zu viele Angstblinde
huldigen der Eitelkeit.
Wo sind die Kinder
mit unverdorbenem Blick?

Nur, wenn der Wolf
vergisst,
Kreide zu fressen,
merken sie
einmal kurz auf.

© Ingrid Herta Drewing