Märchenheld

Unbenannt 1

In meiner Kindheit Märchenbuch die Helden,
sie trotzen mutig jedem Fluch, nicht selten
gab es auch Heldinnen und deren Liebe,
die standhaft blieben, lösten Zaubers Triebe.
Sie, die wie’s Schwesterlein der „sieben Raben“
vor Mond und Sterne zogen und ihr Eignes gaben.

In Liebe auch ertrug sie stumm die Pein,
strickte aus Dornenpflanzen Hemden fein
die Schwester für „ zwölf Schwäne“, ihre Brüder,
erlöste sie, der Hexe Kraft schwand wieder.

Und selbst die Gretel, die wohl noch recht klein,
erwies sich mutig, konnte Hänsel retten,
als sie die Hexe in den Ofen stieß hinein,
weil diese ihn wollt sehn als Braten, fetten.

Noch übern Tod hinaus gewährt die Treue
und Liebe Anvertrauten ihren Blick,
„Was macht mein Kind, mein Reh?“, sagte auf’s Neue
die Königin, als Geist dreimal zurück.

Wer niedern Standes ist, hat’s schwer im Leben,
ob als Soldat, ob armer Schneider ist
man gut beraten, sich sein Glück zu geben,
indem man sich bemüht um Klugheit, List.

In „ Sechse kommen durch die Welt“, gelingt
es so dem arg betrogenen Soldaten,
dass er dem König mit ’nem Team abringt,
was dieser ihm verweigert, geizmissraten.

Es zeigt das Märchen, anders als die Sage,
uns Helden, deren Kraft nicht durch das Schwert
sie lässt obsiegen; oft sind sie in Frage,
weil sie dem Umfeld scheinen wenig wert.

Wenn sie naiv auch anderen vertrauen,
hat man als „Dummling“ sie sehr schnell benannt.
Jedoch lässt ihre Offenheit sie schauen
auf eine Welt, der Argwohn kaum bekannt.
So wird in „Die drei Federn“ der belohnt,
der nicht wie andere im Hochmut thront.

Als Kind las ich: „ Wenn du auch schwach und klein,
die andern nichts von deinen Stärken wissen,
darfst du doch Held in deinem Leben sein,
sei klug und gütig, hab ein rein Gewissen!“

© Text u.Bild / Ingrid Herta Drewing,2017

Verkannt

Es haben so manche Helden
am Heimatherd nichts zu melden.
Drum zieht’s sie hinaus,
wo fern von zu Haus
für andre sie etwas gelten.

© Ingrid Herta Drewing,2017

Das Feuer von Cogolin

Die Sonne sinkt und rötet das Meer.
Yves, Jean, Claude, Pierre und Albert,
Boule spielen sie auf der Place des Gamins,
ein fröhlicher Abend in Cogolin.

Und der Mistral frischt auf, weht zur Cote d’Azur.
„ Morgen fahr’ ich zu Jeanne nach Namur!“,
verkündet Claude und lehnt sich zurück;
er träumt von seinem Hochzeitsglück.
Dann Yves, stolzer Vater, erzählt vom Sohn.
Er habe vier Zähnchen und laufe bald schon.
„ Meine Tochter Christine“, so schwärmt Albert,
„ ist fleißig und schön, gleicht der Mutter sehr.“

Doch was war das?
Ertönte da nicht die Glocke vom Turm?
Jetzt hören es alle: Sie läutet Sturm.
Feuer soll sein hinterm Hügel im Wald.
Sie rufen und rennen; es gibt keinen Halt.
Denn jetzt ist jeder ein Feuerwehrmann.
Sie eilen zum Wald; sie packen es an.

Und bekämpfen den Drachen, die lodernde Glut
mit Gegenfeuern und schöpfen Mut,
dass des Feuers Gier ist bald gestillt.
Aber schon wieder flackert es wild.
Es knistert und kracht, es dampft und zischt.
Der Pinienhain lodert, ein Flammengesicht.
Sie graben sich ein; die Feuersbrunst grollt.
Die Nacht leuchtet rot, und ein Donnern rollt
Sie rufen und suchen im Kampf den Genossen.
Der Feuerring hat sie eingeschlossen.

Doch da spricht von Hoffnung ein rußig’ Gesicht,
und seine Stimme die Angst durchbricht,
denn Yves sagt entschlossen:
„ Es muss uns gelingen,
lasst uns diesen Ring durchdringen!
Die Stadt ist in Not,
Kinder und Frauen vom Feuer bedroht.
Wir müssen sie retten, wir schreiten voran;
es kämpfe ein jeder, so gut er kann!“
So halten sie aus und wehren mit Macht
den Feuernestern, die wieder entfacht.

Da! Endlich naht sie, die Hilfe! Vom Meer
fliegen Hubschrauber Wasser nun her.
Sie helfen zu löschen den höllischen Graus.
Matt züngeln noch Flammen,
doch dampfend zischt es;
dann sinkt es zusammen
und schließlich erlischt es.
Das Feuer ist aus.

Sie haben’s geschafft, Cogolin ist
verschont geblieben mit knapper Frist.
„ Wo sind sie, die Männer der Feuerwehr?
Wir wollen danken.
Seht, da kommt Pierre!“
„Wo sind sie?“, fragt der, dem man danken will.
„ Die Kameraden, wo sind sie?“
Alles schweigt still.-
Und dann ist es gewiss: Sie kommen nicht mehr.
Sie starben im Feuer: Yves, Jean, Claude und Albert.

© Ingrid Herta Drewing
(2003 anlässlich der schlimmen Brände in der Provence geschrieben. Leider jedes Jahr wieder ein aktuelles Thema)

Märchenbuch

Das Blütenkränzchen im gelockten Haar,
so tanzt die Märchenfee aus Zauberzeilen
des Buches; lieblich lässt sie dich verweilen
in einer Welt, wo Wunder werden wahr,
verleiht dir Elfenflügel, hinzueilen.

Sanft reicht sie dir die Hand und führt dich fort
in jenes Reich der Wünsche; die Magie
singt die geheimnisvolle Melodie,
und Bilder wachsen aus dem Lesewort,
beflügeln dich und deine Phantasie.

Du folgst dem Helden, fühlst das Drachenfeuer
und freust dich, wenn er mutig kämpfend siegt,
das Böse, das dort droht, ihm unterliegt,
die dunkle Macht der schlimmen Ungeheuer
durch Mut und List dann schließlich wird besiegt.

Erfährst die Stärken des vermeintlich Schwachen,
wie er, den seine Umwelt stets geschmäht,
die Jenseitswelt betritt und dort erspäht
das Zauberwesen, das ihm, ihn bewachend,
die Hilfe gibt, das Glück hinfort ihm sät.

Da wird aus dem Verwandeln ein Erlösen.
Was unrecht war, erzeugte großes Leid,
wird wieder gut; in hellem Strahlenkleid
darf zeigen sich, erlöst, ein menschlich’ Wesen,
von allen Ketten, Zwängen nun befreit.

Du siehst beglückt, es gibt die gute Wende,
und Aschenputtel geht nicht leer mehr aus;
der Prinz führt als Prinzessin sie nach Haus.
Sie reichen sich zum Ehebund die Hände.
Erleichterung, es nimmt ein gutes Ende.

Wie schön, so gehen alle Märchen aus!

© Ingrid Herta Drewing