Reimneigung

Es fließt aus mir der Reime Schwall,
kann mich fast nicht erwehren,
und dennoch les’ ich überall
sollt’ ohne sie gewähren
der Worte Dichte, Chiffren, Bilder.
Jedoch der Reim, er stimmt mich milder.

Er ist bewegt auf Partnersuche
will gerne zweisam bleiben,
geht auch gekreuzt, umfasst zu Buche,
drängt mich, ich soll ihn schreiben
als Endreim einer schönen Zeile,
damit er versfroh nun verweile.

Sagt mir, warum sollt’ ich ihn nur
aus dem Gedicht verbannen!
Ich folge gern des Klanges Spur,
der taktvoll zieht von dannen.
Doch Bilderdichte, wenn sie glückt,
mich dann dabei noch mehr entzückt.

© Ingrid Herta Drewing

Modern dichten

Gemeißelt die Worte, kryptisch, hermetisch,
so solltest du dichten, das nennt man modern;
nicht klangvoll reimend, in Versen poetisch,
Metaphern wählend mit lösbarem Kern !

Wer diesem Rat folgt, beginnt schnell zu drechseln,
geht steif auf Stelzen sprachlich spazieren,
mag fälschlich vielleicht das mit Dichten verwechseln
und sich im Chiffrendickicht verlieren.

Die Poesie, sie wählt ihre Worte,
die Bilder, die Klänge, ihr eigenes Licht.
Nur was authentisch, nicht hölzern verwortet,
trägt sie nach Hause mit hellem Gesicht.

© Ingrid Herta Drewing