Alte Laterne im Nerotal
Hat unlängst noch des Herbstes Flammenkleid
dich rot mit seinem Blätterspiel umgeben,
stehst du, von weichem Schnee jetzt weiß beschneit,
wie schon seit hundert Jahren hier bereit,
den Park des Abends leuchtend zu beleben.
Wenn du es könntest, davon zu erzählen,
was um dich ist in all der Zeit geschehen,
ja, welchen Monat würdest du wohl wählen?
Den Mai, den Frühlingskuss vor dem Vermählen,
Oktober, dessen Blattgold du gesehen?
Wär‘ es ein Julitag,recht heiß im Grünen,
wenn neben dir der Schwarzbach leise rauscht
und über dir die Bergbahn zu den Bühnen
im Sommer führt zu Improtagen, kühnen,
wo man den kreativen Mimen lauscht?
Vielleicht erzähltest du ein Wintermärchen
von muntren Kindern, die den Schneemann bauen,
Erinnerungen auch an Hans und Klärchen.
Sie waren später ein verliebtes Pärchen,
das sich hier traf in innigem Vertrauen.
Noch viele Winter wirst du hier wohl stehen,
wenn ich, die so sinniert, schon nicht mehr bin.
Und Andre werden da spazieren gehen,
nostalgisch dich, Laterne, leuchten sehen,
mit dir verknüpfen ihren eignen Sinn.
© Ingrid Herta Drewing,2017