Zuwendung

Wir tragen aneinander oft sehr schwer,
und unsre Seelen plagen stumme Klagen.
Doch unsre Lippen sind verschlossen,wer
besitzt den Mut und ist geneigt zu sagen,
dass seine Welt erscheint ihm inhaltsleer.

Das Bildnis, das vom anderen wir kennen,
das führt dazu, dass wir ihn ordnen ein,
ihn wie ein Ding festlegen, sorglos scannen,
zu wenig achten, wie er Mensch will sein,
und unsre Sicht als richtig stets benennen.

Nur wenn wir mit der Liebe Augen sehen,
in Demut bleiben für das Leben offen,
dem and’ren zuhören und ihn verstehen,
erfahren wir, was ihn bewegt, sein Hoffen
und können so gemeinsam mit ihm gehen.

© Ingrid Herta Drewing,2017

Liebes-Nostalgie

Ein Sehnen wollt‘ in Briefen führen,
so wie es ferne Liebe kennt;
es konnte Herz das Herze rühren.
Obwohl das Leben lief getrennt,
war’n wir uns nah.

Wir würden Rosendüfte spüren,
wie einst in jener Sommernacht,
als wir in liebendem Verlieren
einander waren zugedacht,
das hofften wir.

Als wir uns dann nach Jahren fanden,
erkannten wir die Nostalgie.
Der Jugend Zauber, nun abhanden
gleich einem Schleier, Phantasie
das Bild verlieh.

© Ingrid Herta Drewing,2015

Scheidung

Für beide gab es nichts mehr zu erklären,
gekommen war die Zeit, sie trennten sich.
Versuche gab es, sich noch zu bewähren,
doch jeder kreiste nur ums eigne Ich.

Verliebt ist mancher schnell, doch Lieb’ will reifen,
den Partner so zu achten, wie er ist,
und nicht erziehend sich an ihm vergreifen,
damit er eigner Projektion entspricht.

Die Ehe war zum Glück noch kinderlos,
so galt es nur allein für sie, zu tragen
den Makel, das Bewusstsein, zu versagen,
Verlust von etwas, das einmal schien groß.

Sie werden beide neue Wege finden,
und manchmal wird, vernarbt, die Wunde schmerzen
Allmählich werden sie auch das verwinden,
was das Erinnern spült in ihre Herzen.

© Ingrid Herta Drewing