Wenn Wirklichkeit auf Sprichwörter trifft

Morgenmuffel

Neulich nachts ging’s bei ihm rund,
ja, das Fest war reichlich bunt.
„Morgenstund hat Blei im Bauch“,
das tat Peter auch dann kund,
als man ihm, wie’s halt so Brauch,
sagte, sie hab‘ Gold im Mund.
*
Notlage

„Not kennt keinen Bahnhof“,
sagte Winkelmann,
als ihn Schaffner Kahnschwof
traf beim WC an.
„Ist man echt in Not,
wirkt kaum ein Gebot.“
*
„Der frühe Vogel fängt den Wurm!“,
so Meister Kurt Klein-Klaus belehrt.
Klaus meint: “Die Amsel auf dem Turm,
die sucht dort aber früh verkehrt,
denn Würmer gibt’s nur in der Erd‘.“

© Foto u.Text: Ingrid Herta Drewing,

Liebes-Nostalgie

Ein Sehnen wollt‘ in Briefen führen,
so wie es ferne Liebe kennt;
es konnte Herz das Herze rühren.
Obwohl das Leben lief getrennt,
war’n wir uns nah.

Wir würden Rosendüfte spüren,
wie einst in jener Sommernacht,
als wir in liebendem Verlieren
einander waren zugedacht,
das hofften wir.

Als wir uns dann nach Jahren fanden,
erkannten wir die Nostalgie.
Der Jugend Zauber, nun abhanden
gleich einem Schleier, Phantasie
das Bild verlieh.

© Ingrid Herta Drewing,2015

Traumgestalt

Ich trage einen Traum in mir,
dem Wirklichkeiten,
auch ferne Zeiten
Erfüllung nicht gewähren werden.

Und dennoch schenkt er säumend hier
ein Vorbereiten
und zartes Gleiten
in meines Lebens Tag auf Erden.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Ermunterung

Nun, Traum verlassen, graut der Morgen.
Was noch zur Nacht den Sternen nah,
im Dunkel samten schien geborgen,
muss stellen sich des Tages Sorgen,
die bald im Lichte offenbar.

Du kannst der Pflicht dich nicht entziehen;
jedoch dir bleibt die Phantasie.
Sie lässt die Illusionen blühen
und schenkt dem Sehnen ohne Mühen
des Frühlings frohe Melodie.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Virtuell leben

Wenn vieles  nur noch virtuell vorhanden,
wenn dort, wo einstmals Bücher standen,
die Leere gähnt, weil sämtliche Folianten
der E-Book- Nutzung doch zum Opfer fielen,
wenn wir gemeinsam nur noch online spielen
und körperlos von fern kommunizieren,
dann haben wir wohl, blind in unsrem Streben,
der Existenz den neuesten Kick zu geben,
in unsrem Leben wenig zu verlieren.

© Ingrid Herta Drewing