Reisemüde

Du meinst, es sei Zeit, bald zu reisen,
da jetzt auch der Herbst schon erwacht.
Die Sehnsucht sing‘ Lieder, die leisen,
die wundervoll Wege dir weisen
in Träume von südlicher Nacht.

Doch nun, da die Schwalben entschweben,
es färben sich Garten und Wald,
will froh ich den Herbst hier erleben
und sehen sein glühendes Weben,
des Laubes farbschöne Gestalt.

Denn mich lockt nun nicht mehr die Ferne,
ich ahne, das Gute liegt nah.
Ja, früher, da ließ ich mich gerne
verlocken und glaubte, die Sterne,
die sähe ich anderswo klar.

So reise denn wohl, ich verweile,
geborgen in Garten und Haus.
Mich drängen nicht Lust, noch die Eile,
dass ich viele Meilen da teile.
Hier lebe ich, harre gern aus!

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing

Vorlieben-Änderung

Ich markiere im Kalender,
was mir nun will Freud‘ bereiten:
Lenz und Herbst, die Jahreszeiten.
Wie sich Vorlieben verändern!

Konnt‘ den Sommer kaum erwarten,
früher in der Jugendzeit,
um das Reisen dann zu starten:
Nur hinaus! Die Welt ist weit!

Heute schätze ich die milde
Frische,Frühlings,Herbstes Duft.
Sommers Glut und Winters Kälte,
rauben Schlaf nachts,tags mir Luft.

Ja, ich mag’s wohl temperiert,
gehe gern im Park spazieren,
von Gewittern unberührt,
abends in der Stadt flanieren.

Lieb im Lenz der Pflanzen Sprießen,
nach der fahlen Winterszeit
und im Herbst als Abschiedsgrüße
feurig‘ goldnes Blätterkleid.

Steh‘ jetzt selbst im Herbst des Lebens,
Winter wartet vor der Tür.
Meide drum, was scheint vergebens,
freu‘ mich an der Schönheit Zier.

© Ingrid Herta Drewing,2016