Warten auf Sankt Nikolaus
Es fällt der Schnee, er fällt in dichten Flocken
und hüllt wie Watte ein das stille Land.
Die Kinder artig in der Stube hocken
und schauen aus dem Fenster, wie gebannt.
„ Wird denn Sankt Nikolaus den Weg wohl finden?“
„Sieht er bei diesem Schneesturm unser Haus?“,
bang fragen es klein Kläuschen und Sieglinde,
in Sorge, dass sie heuer leer geh’n aus.
„Geht schlafen, Kinder, macht euch keine Sorgen,
Sankt Nikolaus, der findet schon den Weg,
und ganz bestimmt wird er auch kommen morgen;
sein altes Eselchen kennt Weg und Steg!“
Der Mutter Worte wirken, doch die Kinder
noch liegen lange, sinnend wach im Bett.
Sie flüstern, dass in diesem kalten Winter
sogar die Post sich schon verspätet hätt’.
Dann schließlich schlafen sie ermüdet ein,
und um das Haus die Flocken tanzend stieben.
Sie träumen bei Sankt Nikolaus zu sein,
verpackend die Geschenke für die Lieben.
Als Kläuschen zwei Pakete sollte holen,
da liest er darauf Namen, die er kennt
und fragt, was darin sei, ganz unverhohlen;
doch Nikolaus nur lächelt, ihm nichts nennt.
„ Pack’s auf den Schlitten, binde sie gut fest,
damit mir nichts beim Fahren runter fällt.
Dein Schutzengel bringt dich zurück zur Welt,
und ich mach’ mit den Wichteln hier den Rest“
Am Morgen scheint die Sonne hell ins Fenster,
und Klaus erzählt der Mutter seinen Traum.
Sie schaut ihn schmunzelnd an; Schneesturmgespenster,
sie sind vergangen, und nun schneit es kaum.
„Hast du auch die Pakete gut verstaut,
damit sie ihm nicht fallen in den Schnee,
wenn Niklas heute Abend kommt und schaut,
wie er dort lenkt den Schlitten übern See?“
Bald ist es Abend, und die Kinder warten.
War da nicht grad ein Klingen vor dem Tor?
Sie hören Silberglöckchen läuten, und vom Garten
tönt lauthals eine tiefe Stimm’ empor.
„Kann ’s sein, dass hier noch brave Kinder wohnen?
Ich bin gekommen, möchte euch belohnen.“
Sieglinde, Kläuschen schaun sich wissend an:
„Das ist Sankt Nikolaus, der heil’ge Mann!“
Dann ruft die Mutter sie: „Kommt her und seht!“
Und auf dem Tisch, da liegen süße Gaben:
Ein Teller mit Gebäck für sie dort steht,
das ist nicht das, was sie an Wünschen haben.
Sie können die Enttäuschung nicht verhehlen
und schauen kurze Zeit recht traurig drein.
Da kommt der Vater heim, er hat was zu erzählen
und bringt zwei große Päckchen mit herein.
„Schaut euch das an, was ich im Schnee gefunden!
Die Packerl lagen vor dem Gartentor.
Vom Schlitten fiel ’s; er ist ganz schnell verschwunden,
das kommt mir alles doch sehr seltsam vor.“
„Die hat Sankt Nikolaus für uns gebracht“,
sagt leis’ Sieglinde und stupst an das Kläuschen.
Er denkt an seinen Traum, was er gemacht,
bleibt eine Weile schweigsam wie ein Mäuschen.
Dann liest er auf den Päckchen ihre Namen.
„ Es hat uns doch bedacht Sankt Nikolaus!
Kommt, lasst uns sehen, was wir da bekamen!“
Und fröhlich packen sie die Päckchen aus.
Was darin war, das weiß ich leider nicht.
Doch glückliche Gesichter konnt’ ich sehen.
Gemeinsam sangen sie bei Kerzenlicht.
So gut mög’ es auch andern Kindern gehen!
© Ingrid Herta Drewing