Die Flussnixe und der Träumer

Es wiegen sich die Wipfel
im leichten Juniwind;
und auf der Berge Gipfel
schmilzt letzter Schnee geschwind.

Des Flusses Wasser fließen
so gletschergrün dahin,
begrüßen in den Wiesen
der Blumen Blütensinn.

Ein Junge sitzt dort schweigend
am Ufer sinnend, still,
zum Wasser sich hin neigend,
er Fische sehen will.

Da ruft ihn eine Schöne
aus seinem zarten Traum.
Er hört der Nixe Töne,
mag glauben es noch kaum.

Bevor er sich gefangen,
im Wasser sie verschwand.
Doch er streckt voll Verlangen
noch immer aus die Hand.

Hört deutlich ihre Worte:
„Verlasst schnell diesen Ort,
denn meine Fluten strömen
weit über Flusses Bord!“

Da rennt er zu den Seinen
Und warnt sie vor der Flut:
„ Hochwasser, so will’s scheinen,
kommt, rettet Leben, Gut!“

Sie bergen ihre Habe,
verlassen Hof und Haus.
Des Jungen Sehergabe
verhindert schlimmsten Graus.

Denn schon die Wasser steigen,
der Fluss strömt übers Land
Was alles Menschen eigen,
zerstört er nun als Tand.

Jedoch am Leben bleiben
die Menschen; nur das zählt!
Der Träumer hat bei Leibe
den rechten Weg gewählt.

© Ingrid Herta Drewing, 2019

Der brennende Adventskranz

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Es hatte Franz Ernst Anton Schanz
sich schön gebastelt einen Kranz
aus duftend grünen,jungen Fichten.
Sie sollten es nun festlich richten,
geschmückt mit roten Kerzen,vier,
für den Advent als Zimmers Zier.

Und jeden Sonntag im Advent,
für Franz nun neu ein Kerzchen brennt.
Auch knistert’s wohlig im Kamin,
wo feurig rot die Scheite glüh’n.
Versonnen sitzt er, ruht sich aus,
mit seinem Kater Stanislaus.

Wie schön der Kerzen Licht heut‘ brennt!
Er merkt’s nicht mehr, ist eingepennt,
liegt auf der Couch, lang ausgestreckt.
Der Schlaf kam schnell, nicht zugedeckt,
schnarcht er dort,tief in Morpheus‘ Armen,
sägt Wälder ab, ’s ist zum Erbarmen!

Doch friert er nicht,kennt keinen Harm;
die Kerzenflammen strahlen warm,
verströmen hier ihr lauschig‘ Licht.
Der Kranz steht auf dem Tisch,ganz dicht,
wo jetzt des Schläfers beide Füße
sich nähern, um sie zu begrüßen.

Schon stößt er mit dem Fuß, wie dumm,
dort eine Kerze an und um.
Es fließt das Wachs, der Kater rennt,
er sieht den Kranz, der hellauf brennt,
ruft laut den Franz, ganz kläglich maunzt,
doch dieser regt sich kaum und raunzt.

Da endlich, als, zu heiß bedrängt,
sein linker Fuß nun Feuer fängt,
erwacht er aus der Lethargie,
zumal der Kater schreit wie nie.
Flugs springt er auf, erkennt, dass Feuer
schon speit hier Flammen ungeheuer.

Zum Glück sind eine Brandschutzdecke,
ein Feuerlöscher in der Ecke,
womit den Brand er schließlich hemmt,
bis ganz das Feuer eingedämmt.
Der Stanislaus sitzt still am Fenster,
er scheut des Rauches Rest-Gespenster.

Verrußt das Zimmer, schwarz der Tisch,
was kürzlich noch roch waldesfrisch,
das müffelt nun verkohlt, verbrannt,
Franz Ernst, der jetzt klar bei Verstand,
räumt auf und wirft den Asche-Dreck
schnell auf den Müll, damit er weg.

Dann streichelt er den Kater, blass
vom Schreck gezeichnet, weiß wohl, dass
der ihn, den Leichtsinn so geplättet,
durch seine Wachsamkeit gerettet.
“ Ja“,sagt er sich,“ so manches Tier
erweist sich schlauer oft als wir.“

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing